Wie kommuniziert man in Krisenzeiten?
Wir kämpfen gegen einen Virus. Das Allerwichtigste sind natürlich medizinische Vorsorge, Behandlung und Heilung. Doch hat die Information für uns alle – die Bevölkerung – eine genauso große Bedeutung, um Unsicherheiten bis hin zur Panik möglichst gering z
Die Bestandsaufnahme: Was ist passiert? Was ist über die Ursachen bekannt? Was sind die Folgen und wer ist betroffen? Die Ereignisverläufe und Gründe der Verbreitung des Coronavirus sind geklärt. Genauso hat die Aufklärung weitgehend funktioniert, wie man sich ansteckt und (nicht) schützen kann. Das Problem ist die Unsicherheit, was nun weiter geschehen wird und wie schwerwiegend die Konsequenzen für uns alle werden. Weil wir das nicht genau wissen.
Die Risikoabschätzung: Das Gesundheitsministerium geht von drei Szenarien aus. Im besten Fall wird das Virus „ausgehungert“, weil die bestmögliche Isolierung von Infizierten gelingt. Oder Corona entwickelt sich ähnlich der Grippe, die jedes Jahr in einer neuen Variante wiederkommt. Oder es entsteht eine Pandemie, bei der – so ein Universitätsprofessor in den USA – 40 bis 70 Prozent der Weltbevölkerung angesteckt werden. Die Information: Das Dilemma ist, dass auch der dritte und schlechteste Fall bedacht und besprochen werden muss. Es ist logisch, dass zunächst eine Eindämmung versucht und darüber geredet wird. Es geht ja um ein Spiel auf Zeit, die zur Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen dringend gebraucht wird. Doch kann der Punkt kommen, an dem man nicht ein ganzes Land unter Quarantäne stellen kann. Hier besteht verständlicherweise große Scheu, den Leuten zu sagen, dass sie das Virus mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit bekommen. Politiker als Kommunikatoren wollen sich am allerwenigsten unbeliebt machen. Die Krisenmanager: Regierungen bilden bei Epidemien, Pandemien & Co. einen Stab, der einerseits Gegenmaßnahmen organisieren soll und andererseits die heikle Kommunikation
an die Bevölkerung mit einer Stimme statt sich widersprechender Einzelmeldungen übernimmt. Man muss unseren Politikern zugestehen, dass sie das sachlich und ruhig machen. Genauso funktioniert großteils die einheitliche Kommunikation. Ob die Hausübungen für wirkliche Krisenpläne – bei einem vollen Ausbruch der Pandemie mit sehr vielen Tausenden Erkrankten – gut gemacht wurden, das ist naturgemäß offen.
Die Politiker: Ein Haken ist, dass eine Berufsgruppe die Krise managen soll, die nicht den besten Ruf hat. Man bringt Feuerwehrleuten und nicht ausgerechnet politischen Akteuren das größte Vertrauen entgegen. Ganz egal, welche Partei. Trotzdem ist es richtig, dass Gesundheitsminister & Co. kommunizieren, statt quasi Verlautbarungen des Staates zu versenden. Denn das, was der Chef sagt, zählt im Zweifelsfall mehr als Berichte von Behörden. Menschen vertrauen Menschen, nicht Ministeriumsnamen.
Die Experten: In rein medizinischer Hinsicht sollten Politiker und wir alle auf die Ärzte hören. Die deutschen Fußballtrainer Jürgen Klopp und Julian Nagelsmann haben das bei unpassenden Journalistenfragen schön ausgedrückt: Warum sollten sie zur Gefahr des Virus etwas sagen? Wir fragen ja umgekehrt auch nicht unseren Hausarzt, wie das nächste Match des FC Liverpool oder von RB Leipzig ausgeht.
Die Geschwindigkeit: Beim Kampf gegen einen Virus, der sich schnell verbreitet, ist das Tempo entscheidend. Trotzdem sind Hau-ruck-Aktionen in der Krisenkommunikation das Allerletzte, was man braucht. Aktuelle Entwicklungen sollen stets überprüft werden, bevor man Informationen dazu weitergibt. Man stelle sich vor, es würden laufend Maßnahmen oder Krankenzahlen verkündet, die es so nicht gibt. Bisher hat sich die tägliche Information des Gesundheitsministeriums am Vormittag bewährt.
Die Gefühle: Trotz aller Sachlichkeit müssen Politiker und Ärzte gleichermaßen sich in uns hineinversetzen. Wir haben angesichts des Coronavirus Sorgen und Ängste, also sind unsere Emotionen verständlich. Belastet sind freilich genauso Politik und Medizin, welche unter großem Stress über ein sensibles Krankheitsthema sprechen müssen. Da passieren Fehler. Der Versuch, jeden Kommunikationsfehler zu vermeiden, führt aber bloß zu allgemeinem Schweigen und hilft keinem.
Die Wahrheit: Niemals zu lügen, das ist generell eine gute Eigenschaft. Doch wir alle tun das manchmal. In der Krisenkommunikation sind Unwahrheiten aber ein absolutes Tabu. Unabhängig davon, wie sehr die handelnden Personen von den Politikern bis zu den Medizinern oder Medien unter Druck stehen. Es muss nicht alles ungefragt kommuniziert werden, doch bei konkreten Punkten zählt allein Wahrheit und Aufklärung. Nur so kann man Spekulationen entgegenwirken. Wenn wir beim Coronavirus einmal angelogen werden und keinem mehr glauben wollen, würde das Chaos bedeuten.