Kronen Zeitung

Was hinter unserem „Budgetwund­er“steckt

EU-Ziel übererfüll­t, Überschuss im Jahr 2019: Das verdanken wir der guten Konjunktur, den Niedrigzin­sen und Steuererhö­hungen

- Manfred Schumi

Jetzt gehört Österreich wirklich dazu – und zwar zum Klub jener EUStaaten, die einen BudgetÜber­schuss erwirtscha­ften. 2019 waren es laut Fiskalrat rund 2,2 Milliarden Euro oder 0,6% des BIP (siehe Grafik). Vor zehn Jahren hatten wir noch ein Defizit von über 15 Milliarden Euro oder 5,3%. Experte Ulrich Schuh von WPZ Research hat das „Geheimnis des österreich­ischen Budgetwund­ers“analysiert. Drei Faktoren sind ausschlagg­ebend:

Mehr als die Hälfte der Verbesseru­ng verdanken wir der guten Konjunktur, die zu höheren Steuereinn­ahmen und einer Reduzierun­g der Kosten für die Arbeitslos­igkeit geführt hat.

Der zweite große Brocken sind die Zinsen für unsere Staatsschu­lden: Im Jahr 2009 gaben wir dafür noch über neun Milliarden Euro aus, im Vorjahr waren es nur noch 5,8 Mrd. €, die Belastung in Prozent des BIP hat sich sogar mehr als halbiert (von 3,1% auf 1,4%). Über die Jahre ersparten wir uns einen hohen zweistelli­gen Milliarden­betrag.

Nur 21 Prozent der Verbesseru­ng beim Budgetsald­o gehen auf Kosten von Maßnahmen der jeweiligen Bundesregi­erung. Diese haben den Haushalt vor allem einnahmens­eitig saniert. Denn die Steuerquot­e ist in den letzten zehn Jahren von 41,1 auf 42,2 Prozent des BIP gestiegen.

Bei den Zinsen „haben die Finanzmini­ster ein Riesengesc­häft gemacht“, analysiert Ulrich Schuh, „aber Sie haben das nicht an die große Glocke gehängt.“Statt die Gewinne in Reformen zu investiere­n, „wurden sie genützt, um die Ausgaben hoch zu halten. Die Regierunge­n haben die Spendierho­sen an, das sieht man an

den Pensionen, wo eine neue Hacklerreg­elung beschlosse­n wurde.“Stattdesse­n hätte man auch die Steuern senken können, was aber nicht geschah. Die für die nächsten Jahre geplanten Etappen der Steuerrefo­rm geben „den Leuten die kalte Progressio­n zurück, aber mehr ist das nicht. Das Volumen müsste viel höher sein“.

Denn die „Zinsdivide­nde“wird auch in Zukunft für großen Spielraum beim Budget sorgen. Schuh: „Die Abgabenquo­te muss spürbar gesenkt werden, das sollte das Ziel sein.“Wichtiger wäre es, so Schuh, dass man Strukturre­formen macht, damit man die Steuerzahl­er nachhaltig entlasten kann.

Die finanziell­en Turbulenze­n und der Wirtschaft­seinbruch durch die Corona-Krise seien verkraftba­r. Denn erstens hat Österreich die BudgetVorg­aben der EU derzeit übererfüll­t, weil ein Minus von 0,45% sogar erlaubt wäre. Zweitens wird vor allem auf das „strukturel­le Defizit“eines Staates geschaut, also Einflüsse der Konjunktur oder Einmaleffe­kte

(wie fürher die Flüchtling­skrise

oder jetzt die Corona-Auswirkung­en) werden dabei herausgere­chnet.

Dieser „strukturel­le“Budgetsald­o betrug nach der Finanzkris­e 2009 auch „nur“minus 2,9%, seit 2015 ist er ausgeglich­en. Daher kann man ein Minus, das 2020 durch die Belastunge­n rund um den Virus entsteht, in Kauf nehmen.

Wie hoch das sein wird, weiß derzeit natürlich niemand. Klar ist, dass die Regierunge­n viele Milliarden Euro in die Hand nehmen werden, um die Auswirkung­en des Herunterfa­hren des Staates zu bekämpfen.

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 ?? Foto: Martin Jöchl ?? Ulrich Schuh (WPZ Research): „Die Finanzmini­ster haben das nicht an die große Glocke gehängt, wie viele Milliarden sie sich durch die Niedrigzin­sen erspart haben.“
Foto: Martin Jöchl Ulrich Schuh (WPZ Research): „Die Finanzmini­ster haben das nicht an die große Glocke gehängt, wie viele Milliarden sie sich durch die Niedrigzin­sen erspart haben.“

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