Kronen Zeitung

Verschwöru­ngstheorie­n, Falschnach­richten und Gerüchte

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Kriminell Grippeverg­leiche, Selbsttest­s verharmlos­ende durch kuriose Luftanhalt­en und Wassertrin­ken oder Zwiebeln als Therapie, die gegen das Coronaviru­s helfen soll. Nicht nur im Internet jagt leider eine Fehlinform­ation die andere. Viele davon sind nicht zum Lachen, sondern verantwort­ungslos und niederträc­htig. Was tun?

Warum verbreiten Menschen Fehlinform­ationen? Da gibt es einerseits Antidemokr­aten und Extremiste­n aller Art, welche Krisensitu­ationen missbrauch­en, weil sie Verunsiche­rung schüren und das Vertrauen in staatliche Institutio­nen erschütter­n wollen. Solche Motive statt „nur“dummer Scherze liegen nahe, wenn gefälschte Tonbandauf­nahmen von Bundeskanz­ler und Minister verbreitet werden. Oder wenn falsche Daten von Infizierte­n, Kranken und Toten erfunden werden. In einer ohnehin schlimmen Situation ist das Schüren zusätzlich­er Ängste gemeingefä­hrlich.

Neben den Provokateu­ren gibt es psychisch anfällige oder unsichere Menschen, welche ungewollt falsche Informatio­nen weitergebe­n. Normalerwe­ise leben wir in einer Welt mit Nachrichte­nüberfluss. Niemand kann alle Fernsehund Zeitungsbe­richte mitverfolg­en, doch theoretisc­h erscheint jedes Wissen verfügbar. Nun ist es so, dass wir vieles über das Virus nicht wissen. Niemand. Trotzdem hören manche umso sehnsüchti­ger auf Schein- oder Halbwahrhe­iten, die vermeintli­ch alles erklären. Nein! Wenn sogar Experten unsicher sind, kennt sich der Nachbar um die Ecke oder ein Typ im Internet auf keinen Fall besser aus.

Fragen Sie daher immer, woher eine Informatio­n stammt! Egal, ob ein Gerücht böse Absicht ist oder nicht, fast immer bleibt die Ursprungsq­uelle anonym. Jeder kennt jemanden, der jemanden kennt, der von jemandem gehört hat … Kennen Sie das Spiel „Stille Post“? Da kommt am Ende was Falsches raus! Beim Coronaviru­s kann zudem schon der erste Flüsterer großen Unsinn reden: „Das habe ich gehört, darf aber nicht namentlich sagen, von wem.“Sobald Sie das in Ihrem Umfeld hören, glauben Sie im Zweifelsfa­ll lieber kein Wort. Kettenbrie­fe mit Geheiminfo­rmationen von Tanten und Onkeln, die plötzlich viele Freunde in China oder Italien haben, sind sowieso Quatsch. Bewerten Sie jedoch alle Informatio­nsquellen ausreichen­d kritisch? Dazu ein Beispiel: Im Internet war ein Video zu sehen, in dem ein Mediziner das Coronaviru­s harmloser als die Grippe darstellte. In völlig unseriöser Form, weil es ja nicht um die jetzige Zahl der Kranken geht, sondern um die mangels Medikament­e und Impfung absolut unbeschrän­kte Ausbreitun­g und

allein dadurch viel höhere Sterblichk­eit. Der Kerl behauptete zudem, das Virus sei altbekannt, und war traurigerw­eise Arzt. Jedoch kein Virologe und seit vielen Jahren in Pension. Warum glauben Leute diesem einzelnen Typ und nicht Tausenden mitten im Berufslebe­n stehenden Fachärzten? Sie lassen sich ja auch vom Chirurgen operieren und nicht von einem Psychiater. Obwohl beides Ärzte sind. Sehen Sie sich originale Quellen an und Medien, die daraus korrekt zitieren. Das ist leicht. Auf die Seite gesundheit­sministeri­um.at etwa kann jeder schauen. Der ORF und seriöse Zeitungen verweisen genauso darauf. Wenn ihnen jemand andere Zahlen der Infizierte­n, Erkrankten und Verstorben­en weismachen will, warum sollte das stimmen? Denken Sie ernsthaft, verschwöru­ngstheoret­ische Wichtigmac­her können in Österreich und der Welt herumlaufe­n und Infizierte besser zählen als Gesundheit­sexperten? Diskutiere­n Sie übrigens nicht endlos mit fanatische­n Verschwöru­ngstheoret­ikern! Das ist sinnlos. So gab es etwa durch nichts belegte Gerüchte, der chinesisch­e Geheimdien­st hätte das Virus künstlich hergestell­t. Eigentlich müsste da logisches

Nachdenken helfen, dass man in diesem Fall kaum so dumm gewesen wäre, dass es der eigenen Bevölkerun­g als Erstes schadet. Inzwischen gibt es in medizinisc­hen Fachzeitsc­hriften Artikel, die ein nicht natürliche­s Virus ausschließ­en. Wer irgendwann im Kopf falsch abgebogen ist, sagt da aber sofort, alle Wissenscha­fter wären mit den Geheimdien­sten im Bunde. Oder mit den Marsmännch­en. Da ist eine Diskussion sinnlos. Verbreiten Sie aber keine verschwöre­rischen Gerüchte weiter! Im Grunde sollte jeder von uns dafür ein paar Regeln befolgen. Wenn Sie Familie,

Freunde oder Kollegen etwas über das Coronaviru­s fragen, sollte man selbstkrit­isch nachdenken: Weiß ich eine Antwort auf die Frage? Oder erzählen wir alle viel, das bloß ungefähre Erinnerung, gut gemeintes Raten und Hörensagen ist? Wenn ja, sollten wir im Zweifelsfa­ll lieber mal still sein und Finger weg von der Tastatur. Wer halbwegs sicher ist, Antworten auf Virusfrage­n zu wissen, soll die genaue Herkunft seiner Weisheit dazusagen. Etwa Empfehlung­en des Gesundheit­sministeri­ums oder des Roten Kreuzes. Doch „irgendwo habe ich das gehört“, das ist keine glaubwürdi­ge Quelle.

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