Mein Kriegsende: Ein Engel im Fegefeuer
Der furchtbarste Krieg endete mit einer Geste der Freundlichkeit
Nach drei Jahren im Mittelmeer wurde ich nach Holland kommandiert. In den ersten Maitagen 1945 wurden wir in Alarmzustand versetzt. Kanadische Streitkräfte befänden sich im Vorstoß auf uns. Wir erwarteten den Angriff. Die Sonne schien, als uns die Meldung von der Kapitulation erreichte. Wir blieben ruhig, jeder hing seinen Gedanken nach. Einer schlich sich davon. Wir fanden ihn tot an einem Baum hängend. An seiner Brust steckte das goldene HJ-Abzeichen. Ein Kanadier bot mir wie zum Tausch eine Zigarette an. „I don’t smoke“, lächelte ich ihn dankend an. So endete für mich einer der größten und furchtbarsten
Kriege der Weltgeschichte mit einer Geste der Freundlichkeit und Solidarität unter Soldaten. Nach der Kapitulation wollten wir den Krieg möglichst schnell hinter uns lassen, das deckte sich mit dem Wunsch der Holländer, uns, ihre Besatzer, loszuwerden. Zu Fuß ging es in Richtung Deutschland. Es wurde ein Spießrutenlauf. Wir wurden angespuckt, Steine flogen. Wären da nicht die Kanadier gewesen, man hätte uns getötet.
Da stand auf unserem Marsch einmal eine Frau am Rande der Straße. Mitten in der Menge, von der sie angespuckt und verflucht wurde, reichte sie uns Wasser. Man beschimpfte sie, aber niemand griff sie tätlich an.
Vielleicht war sie nur eine Frau, die ihr Christentum ernst nahm, vielleicht auch ein Engel, der in dieses Fegefeuer geschickt worden war, um ein Zeichen zu setzen . . .