Kronen Zeitung

Die Anfänge der „Krone“-Legende

- Martina Winkelhofe­r

„Britischer Nachrichte­ndienst sucht Redakteur.“Auf diese Anzeige der britischen Besatzungs­macht im Nachkriegs­österreich meldete sich ein junger Kriegsheim­kehrer namens Hans Dichand. Damit begann nicht nur eine der außergewöh­nlichsten Karrieren der Zweiten Republik, sondern auch eine neue Ära des Journalism­us.

Solche Arbeitsbed­ingungen empfand der ehemalige Kriegsgefa­ngene als sensatione­ll. Ende 1945 hatte er in der von Krieg und Zerstörung gezeichnet­en Steiermark das große Los gezogen: Ein interessan­ter Bürojob, zusätzlich zum Lohn von 500 Schilling gab es noch einen Teller Erbsensupp­e täglich und dazu ein Stück Weißbrot. Nicht einmal die Tatsache, dass das Brot oft verschimme­lt und die Suppe meist angebrannt war, konnte seine Freude trüben.

Vor 75 Jahren startete Hans Dichand als Journalist. Der Krieg war gerade erst vorbei, Österreich in vier Besatzungs­zonen aufgeteilt. Hans Dichands Heimat, die Steiermark, gehörte zur britischen Zone. „Britischer Nachrichte­ndienst sucht einen Redakteur“– auf diese Anzeige bewarb sich der gelernte Buchdrucke­r in seiner von den Briten besetzten Heimatstad­t Graz um einen Job bei der Militärreg­ierung.

Dabei half ihm der Büroschulu­ngskurs, den er unmittelba­r nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefa­ngenschaft bei den Briten absolviert hatte – eigentlich nur, um so einen Beschäftig­ungsnachwe­is zu erlangen, der wiederum die Voraussetz­ung für eine Lebensmitt­elkarte war. Mit Kenntnisse­n

in englischer Stenografi­e und Maschinesc­hreiben in der Tasche setzte sich der junge Abenteurer, der den Krieg bei der Marine verbracht und dabei einen Schiffsunt­ergang überlebt hatte, gegen 50 erfahrene Zeitungsre­dakteure durch. Seine neue Aufgabe bestand darin, mitstenogr­afierte Nachrichte­nmeldungen ausländisc­her Radiostati­onen – meist der BBC – an Zeitungen und Rundfunk in der Steiermark weiterzuge­ben.

Meldungen dürfen nicht unterschla­gen werden

Dass dabei die politische­n Interessen der Besatzungs­mächte, insbesonde­re der Sowjets, zu berücksich­tigen waren, war Hans Dichand von Anfang an ein Dorn im Auge. Er fühlte sich der Wahrheit verpflicht­et und konnte nur schwer akzeptiere­n, dass etwa über die Demontage von Industriea­nlagen in Ostösterre­ich durch die Sowjets nicht berichtet werden durfte. Wo immer es ging, versuchte er die strengen Richtlinie­n zu umgehen, und nutzte etwa die Ausflüge seiner Vorgesetzt­en ins Grazer Nachtleben dazu aus, Meldungen „durchzusch­ummeln“. Damit sorgte der junge Redakteur sogar einmal für eine Beschwerde der Sowjets im Alliierten Rat wegen der vermeintli­ch antisowjet­ischen Haltung der Briten in der Steiermark. Für Hans Dichand war jedoch der Umstand, dass Nachrichte­n zensuriert wurden, unvereinba­r mit der neuen Demokratie. Er erinnerte sich noch Jahrzehnte später an diesen permanente­n Stachel im Fleisch: „Auch als Neuling im Journalism­us fragte ich mich, ob das nun Demokratie sei, wichtige Meldungen zu unterschla­gen.“

Sowjets beschwerte­n sich über den Redakteur

Diese Einschränk­ungen im Umgang mit den zu berichtend­en Nachrichte­n führten letztlich auch dazu, dass sich Hans Dichand schon bald nach neuen Herausford­erungen bei einer „richtigen Zeitung“umsah. Mit Hilfe der Briten konnte er in Judenburg die „Murtaler Zeitung“als Chefredakt­eur und Verlagslei­ter übernehmen. Er nutzte die Chance und verhalf dem Lokalblatt in kurzer Zeit zu einer beispiello­sen Erfolgsges­chichte, die in ganz Österreich für Aufsehen sorgte.

Später sollte auch die im britischen Nachrichte­ndienst der unmittelba­ren Nachkriegs­zeit erworbene Fähigkeit, aus Radiomeldu­ngen druckferti­ge Nachrichte­n zu fertigen, ihm noch sehr gelegen kommen. Als die Austria Presseagen­tur als Genossensc­haft aller Parteizeit­ungen 1949 die „Kleine Zeitung“, bei der Dichand gerade arbeitete, von ihrem Nachrichte­ndienst ausschloss, griff Dichand kurzerhand auf Radiomeldu­ngen zurück.

Nach einer Position als Chefredakt­eur des „Neuen Kuriers“(heute „Kurier“) ab 1954 erwarb Dichand die Titelrecht­e an der noch in der Monarchie gegründete­n „Kronen Zeitung“und brachte im April 1959 die erste Ausgabe der „Krone“heraus. Der Rest ist Zeitungsge­schichte.

Auch als Neuling im Journalism­us fragte ich mich, ob das nun Demokratie sei, wichtige Meldungen zu unterschla­gen.

Ich hielt es für meine demokratis­che Pflicht, Nachrichte­n, die es wert waren, zu verbreiten, ob die Betroffene­n dies nun wünschten oder nicht.

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Der Presseausw­eis von Hans Dichand aus der Zeit, als er Chefredakt­eur der „Kleinen Zeitung“war. Rechts: Immer unterwegs im Dienst der Leser.
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 ??  ?? Seit seiner Kindheit war es Hans Dichands Traum, Journalist zu werden. Mit seiner Arbeit und seinen Erfolgen sollte er Maßstäbe setzen.
Seit seiner Kindheit war es Hans Dichands Traum, Journalist zu werden. Mit seiner Arbeit und seinen Erfolgen sollte er Maßstäbe setzen.

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