Das süße Leben
Bezirksrichter: „Sie dürfen nicht Rattengift in einer Pralinenschachtel aufbewahren! Das ist ja gefährlich!“
Beschuldigter: „Warum net? Es hat in Herrn Severin niemand erlaubt, dass er se in meiner Abwesenheit eigenmächtig bedient. Der Herr Severin is zu mir in Gartn auf Besuch kumma, de Pralinenschachtel is aufn Tisch gstandn. I habs ganz vergessn ghabt, was auf mein Tisch grad steht.
,Se san aa so a große Naschkatz wia i‘, hat er zu mir gsagt. I hab gsagt: ,I kumm glei‘, und bin um an Kübl Wasser ganga.
Ruaft er ma nach: ,I bin so frei! Derf i so frei sei?‘
I hab glaubt, er wüll se ausziagn, für in de Sunn legn, und hab zruckgruafn: ,Von mir aus! Tuan S, was Se net lassn können.‘
Glei drauf is still wurdn. Wia i zruckkumma bin, is der Severin auf der Bank glegn und war ganz weiß im Gsicht. Er hat leise gsagt: ,Wasser, Wasser.‘
I hab eahm mitn Kübl angschütt, es is eahm sofort wieder besser wurdn. Er hat zum Glück eh nur ganz wenig Ratzengift erwischt. Wanns a gsunder Ratz is, der frissts wia nix. Aber der Herr Severin mit sein schwachn Magn geht natürlich klagn.“
Kläger Vinzenz Severin: „Hörn S auf mit der Reimerei. Se habn no net den Ernst der Lage erkannt. De Sache war geplant. Se wolln net, dass ma Sie besuchn kummt. Ihr Gartntürl is immer zuagsperrt, Sie lebn hinter aner
Heckn und benützen als Ausgang a Loch im Zaun.
I kenn des Loch und benütz es als Eingang, wann i eahm überraschend besuchn kumm. Nachdem er sehr sierig is, hat er so wahrscheinlich denkt, bevur i des Loch repariern lass, ram i liaber in Severin weg, des is büllicher.
De Würfeln in der Schachtl habn genauso ausgschaut wia de Bonbons, de was am Deckl abgebildet san. I hab ans mitbracht, Herr Rat. Überzeugen Sie sich selbst! Aber bitte, bitte auf gar kan Fall kostn! Lassn S liaber de Finger davon. Des san nur Schaustücke oder is a Beweismaterial für de Verhandlung heut.“
Der Beschuldigte wurde freigesprochen, muss jedoch erhebliche Arzt- und Prozesskosten übernehmen. Herr Severin: „Mir is der Appetit auf Süßes vergangen.“