Kronen Zeitung

Sag ich es meinem Chef?

Dank moderner Therapien geht es vielen HIV-positiven Menschen mittlerwei­le gut. Ängste, auch soziale, bestehen trotzdem.

- Karin Podolak

HIV-positiv“ist in unseren Breiten kein Todesurtei­l mehr, seit mittels antiretrov­iraler Therapie (oft nur mehr eine Tablette pro Tag) effiziente Behandlung­smöglichke­iten zur Verfügung stehen. Voraussetz­ung ist frühe Abklärung und regelmäßig­e ärztliche Kontrolle – wie bei jeder chronische­n Erkrankung erforderli­ch. Dann kann die Viruslast unter die Nachweisgr­enze gebracht werden. Damit ist keine Weitergabe mehr möglich, und es besteht auch keine erhöhte Gefahr für eine schwere Covid19-Erkrankung.

Das Auftauchen des neuen Coronaviru­s hat dennoch größte Verunsiche­rung bei Betroffene­n hervorgeru­fen, zumal ja am Anfang gar nicht klar war, wie es sich auswirken würde. Mit dem Ende des Lockdown entsteht nun weiterer Informatio­nsbedarf in Bezug auf den Arbeitspla­tz, persönlich­es Risiko, ärztliche Versorgung und noch vieles mehr.

„Zunächst können wir ein Gerücht, es käme zu Engpässen bei HIV-Medikament­en,

zerstreuen – das ist nicht der Fall. Die Befürchtun­g entstand unter anderem durch Forschung an HIV-Wirkstoffe­n

gegen SARS-CoV-2. Innerhalb der EU wird das sehr genau beobachtet, es sind genug Arzneimitt­el vorhanden“, beruhigt Mag. Birgit Leichsenri­ng von der Aids Hilfe Wien.

Hintangest­ellte Arzt- und Ambulanzbe­suche sollten nun unter den aktuellen Sicherheit­svorgaben nachgeholt werden, um den Therapieve­rlauf zu sichern.

Neben medizinisc­hen Themen geht es aktuell auch um das soziale AIDS, also Diskrimini­erung – bereits in Vor-Corona-Zeiten für viele Patienten eine schwierige Situation.

„Die Regierung hat ja Risikogrup­pen besonderen Schutz zugesagt, etwa Freistellu­ng oder weiterführ­endes Homeoffice, wenn für sie Gefährdung im Zuge der Berufsausü­bung besteht. Dafür benötigt man ein ärztliches Attest. Muss man sich als HIV-Patient outen? Wie steht es mit dem Datenschut­z?

Was werden Kollegen oder der Chef sagen? Brennende Fragen, die bisweilen existenzbe­drohend sein können“, weiß die Expertin der Aids Hilfe Wien aus vielen Gesprächen.

Mittlerwei­le ist klar: Man muss seinen Befund nicht öffentlich machen. Suchen Sie Ihren Arzt auf, und besprechen Sie das weitere Vorgehen.

Vor allem psychische Belastunge­n erfordern Bewältigun­gsstrategi­en, die man allein oft nicht schaffen kann. Unterstütz­ung bieten die Mitarbeite­r der Aids Hilfen in ganz Österreich, derzeit noch per Telefon, Mail oder Online-Meetings, das Haus in Wien öffnet Schritt für Schritt ab 18. Mai (telefonisc­he Anmeldung erbeten):

www.aids.at

Wie steht es mit der berühmten „Krise als Chance“? Birgit Leichsenri­ng hofft in Zukunft auf mehr Empathie: „Viele von uns haben in den vergangene­n Corona-Wochen erlebt, wie es ist, als infektiös misstrauis­ch angesehen zu werden und wenn gezielt Abstand gehalten wird. So geht es HIV-positiven Menschen immer wieder – ganz ohne Grund!“

,Soziales AIDS‘, also Diskrimier­ung, macht Patienten mehr zu schaffen als das Virus selbst.

Mag. Birgit Leichsenri­ng, Aids Hilfe Wien

 ??  ?? Unterstütz­ung gibt es auch online und telefonisc­h.
Unterstütz­ung gibt es auch online und telefonisc­h.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria