Sag ich es meinem Chef?
Dank moderner Therapien geht es vielen HIV-positiven Menschen mittlerweile gut. Ängste, auch soziale, bestehen trotzdem.
HIV-positiv“ist in unseren Breiten kein Todesurteil mehr, seit mittels antiretroviraler Therapie (oft nur mehr eine Tablette pro Tag) effiziente Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Voraussetzung ist frühe Abklärung und regelmäßige ärztliche Kontrolle – wie bei jeder chronischen Erkrankung erforderlich. Dann kann die Viruslast unter die Nachweisgrenze gebracht werden. Damit ist keine Weitergabe mehr möglich, und es besteht auch keine erhöhte Gefahr für eine schwere Covid19-Erkrankung.
Das Auftauchen des neuen Coronavirus hat dennoch größte Verunsicherung bei Betroffenen hervorgerufen, zumal ja am Anfang gar nicht klar war, wie es sich auswirken würde. Mit dem Ende des Lockdown entsteht nun weiterer Informationsbedarf in Bezug auf den Arbeitsplatz, persönliches Risiko, ärztliche Versorgung und noch vieles mehr.
„Zunächst können wir ein Gerücht, es käme zu Engpässen bei HIV-Medikamenten,
zerstreuen – das ist nicht der Fall. Die Befürchtung entstand unter anderem durch Forschung an HIV-Wirkstoffen
gegen SARS-CoV-2. Innerhalb der EU wird das sehr genau beobachtet, es sind genug Arzneimittel vorhanden“, beruhigt Mag. Birgit Leichsenring von der Aids Hilfe Wien.
Hintangestellte Arzt- und Ambulanzbesuche sollten nun unter den aktuellen Sicherheitsvorgaben nachgeholt werden, um den Therapieverlauf zu sichern.
Neben medizinischen Themen geht es aktuell auch um das soziale AIDS, also Diskriminierung – bereits in Vor-Corona-Zeiten für viele Patienten eine schwierige Situation.
„Die Regierung hat ja Risikogruppen besonderen Schutz zugesagt, etwa Freistellung oder weiterführendes Homeoffice, wenn für sie Gefährdung im Zuge der Berufsausübung besteht. Dafür benötigt man ein ärztliches Attest. Muss man sich als HIV-Patient outen? Wie steht es mit dem Datenschutz?
Was werden Kollegen oder der Chef sagen? Brennende Fragen, die bisweilen existenzbedrohend sein können“, weiß die Expertin der Aids Hilfe Wien aus vielen Gesprächen.
Mittlerweile ist klar: Man muss seinen Befund nicht öffentlich machen. Suchen Sie Ihren Arzt auf, und besprechen Sie das weitere Vorgehen.
Vor allem psychische Belastungen erfordern Bewältigungsstrategien, die man allein oft nicht schaffen kann. Unterstützung bieten die Mitarbeiter der Aids Hilfen in ganz Österreich, derzeit noch per Telefon, Mail oder Online-Meetings, das Haus in Wien öffnet Schritt für Schritt ab 18. Mai (telefonische Anmeldung erbeten):
www.aids.at
Wie steht es mit der berühmten „Krise als Chance“? Birgit Leichsenring hofft in Zukunft auf mehr Empathie: „Viele von uns haben in den vergangenen Corona-Wochen erlebt, wie es ist, als infektiös misstrauisch angesehen zu werden und wenn gezielt Abstand gehalten wird. So geht es HIV-positiven Menschen immer wieder – ganz ohne Grund!“
,Soziales AIDS‘, also Diskrimierung, macht Patienten mehr zu schaffen als das Virus selbst.
Mag. Birgit Leichsenring, Aids Hilfe Wien