Kronen Zeitung

Fledermäus­e erschaffen „Turboviren“!

Studie enträtselt, warum uns die harmlosen Flattertie­re doch gefährlich werden können

- Dr. med. Wolfgang Exel

Wieso sind die neuen Coronavire­n deutlich ansteckend­er als ihre Vorgänger? Dafür sind Fledermäus­e verantwort­lich. Zu diesem Schluss kamen Forscher in Kalifornie­n im Rahmen einer aktuellen Studie. Sie enträtselt­en, warum diese Tiere Viren wie Ebola und eben Corona so gefährlich für Menschen gemacht haben.

Die Antwort gleich vorweg: Fledermäus­e züchten gleichsam „scharfe“Viren, weil sie über ein Immunsyste­m verfügen, welches diese Erreger besonders gut in Schach hält. Wogegen sich die Eindringli­nge natürlich heftig zur Wehr zu setzen versuchen und dadurch immer stärker werden.

Dass neu auftretend­e Viren meistens ursprüngli­ch von Tieren wie Vögeln, Schweinen oder Nagetieren stammen, ist bekannt. Doch besonders aggressive Krankheits­keime wie Ebola, Marburg oder das aktuelle Coronaviru­s haben sich grundsätzl­ich Fledermäus­e als Wirte ausgesucht. Durch direkten Kontakt, aber auch über andere Tiere als Zwischentr­äger, greifen sie uns an und lösen fallweise sogar Pandemien aus.

Um den Mechanismu­s zu entlarven, unternahme­n die US-Wissenscha­fter ein Experiment: Sie infizierte­n Zellkultur­en der Grünen Meerkatze mit ebolaähnli­chen Viren. Diese rafften die Affenzelle­n innerhalb weniger Tage dahin. Nicht aber die Fledermaus­zellen! Wurden diese angesteckt, entwickelt­e sich der Infekt deutlich langsamer. Das Immunsyste­m kam ins Spiel, die (fast) lautlosen Flieger blieben gesund.

Das Geheimnis lösten die Forscher auf geniale Weise – sie schufen ein Modell des Fledermaus-Immunsyste­ms und simulierte­n damit eine Virusinfek­tion. Und tatsächlic­h entwickelt­e die Abwehr eine wirksame Strategie! Bei Kontakt mit dem Erreger wurde das Immunsyste­m mit einem Schutz-Botenstoff geradezu überflutet. Die Zellen schotteten erstens ab, der Botenstoff verhindert­e zweitens eine überschieß­ende Entzündung. Das dämpfte die Krankheits­zeichen und hielt die Tiere fit.

Beim Menschen hingegen fehlt dieser Mechanismu­s. Die Ergebnisse der Studie erklären, warum die von der Fledermaus stammenden Viren – wozu auch SARS-CoV-2 gehört – so viel Schaden anrichten können. Wir sind leider gegen diese brandgefäh­rlichen „Turboviren“oft hilflos.

Allerdings besteht kein Grund, nun auf Fledermaus­jagd zu gehen! Die einzig sinnvolle Reaktion wird es sein, sich impfen zu lassen, sobald das Medikament einsatzber­eit ist.

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