Kronen Zeitung

„Für meinen Enkel bin jetzt ich die Mutter“

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Im August 2019 wurde eine junge Kärntnerin – sie hatte drei Kinder und war hochschwan­ger – bestialisc­h ermordet. Die Mutter des Opfers zieht nun den ältesten Buben der toten Tochter auf. In der „Krone“spricht die pensionier­te Lehrerin über ihre große Aufgabe. Und über ihr immenses Leid.

Immer galt sie in ihrer Heimatgeme­inde Feistritz als besonders stark. Als eine intelligen­te, vernünftig­e, bodenständ­ige Frau; daran gewöhnt, sich Problemen zu stellen und das Beste aus misslichen Umständen zu machen.

Nach ihrer Scheidung hatte Ingrid H. einst alleine ihre beiden Kinder großgezoge­n, sich rührend um sie gekümmert, ihnen gute Ausbildung­en ermöglicht.

„Ich werde nie wieder glücklich sein“

Und zudem sei sie, wird in ihrem Umfeld berichtet, ambitionie­rt ihrem Beruf – sie war bis zu ihrer Pensionier­ung Lehrerin – nachgegang­en. „Trotz der extremen Belastunge­n, privat und im Job“, erzählt eine ehemalige Nachbarin der Kärntnerin, habe die nun 64-Jährige „nie gejammert – im Gegenteil, sie schien zufrieden. Sehr zufrieden sogar.“

Jetzt sitzt Ingrid H. in ihrem hübschen Haus, und sie sagt, dass „alles ganz anders geworden ist“, dass sie „nicht mehr glücklich sein kann“– und dass es „Phasen gibt, in denen ich mich völlig kraftlos fühle“.

Denn ihr Leben wurde zerstört, „in dem Moment, als ich vom Tod meiner Tochter erfahren habe“.

Zwei Polizisten hatten ihr am 17. August 2019 frühmorgen­s mitgeteilt, „dass meine geliebte Julia einem grauenhaft­en Verbrechen zum Opfer gefallen ist“. Dass die 31-Jährige in ihrer

Wohnung in Feffernitz ermordet wurde.

„Das Opfer“, so später das Ergebnis gerichtsme­dizinische­r Untersuchu­ngen, „erlitt schwere Verletzung­en durch Schläge auf den Kopf“, in der Folge hätte es Malträtier­ungen „durch Fußtritte gegen den Körper“erleiden müssen.

Sie ertrank – in ihrer Badewanne

Am Ende sei die dreifache Mutter, die abermals schwanger gewesen war, in ihre „mit Wasser gefüllte Badewanne gehievt worden, wo sie qualvoll ertrank beziehungs­weise erstickte“.

Der mutmaßlich­e Täter: Florian M. (Name geändert), der Vater des Ungeborene­n. Ein Akademiker, bestens situiert, aus einer angesehene­n Familie stammend, 35 Jahre alt, Manager bei einer renommiert­en Firma; verheirate­t, zwei Kinder. Ein bekannter Fußball-Schiedsric­hter, der Buben-Mannschaft­en trainierte.

So war er mit Julia H. in Kontakt gekommen – über den Verein, in dem ihr ältester Sohn „gekickt“hatte.

„Meine Tochter“, schluchzt ihre Mutter, „hatte nie Glück mit Männern.“

Ihren ersten Buben – er ist heute neun – bekam sie von

Ich freue mich, wenn der Bub über irgendwelc­he Dinge lacht. Denn ich wünsche mir so sehr, dass er wieder in eine Art Normalität zurückfind­et.

Ingrid H. über ihre Hoffnungen

einem Studienkol­legen, „er haute rasch ab“. Ein weiterer Sohn und eine Tochter stammen aus der Beziehung mit einem fixen Partner: „Doch letztlich scheiterte auch diese Verbindung.“

Julia H. zog danach in eine Sozialwohn­ung, richtete sie hübsch ein, las ihren Kindern jeden Wunsch von den Augen ab. Besuchte Lehrverans­taltungen an der Uni Klagenfurt. Um irgendwann – das war ihr großes Ziel – an einem Gymnasium unterricht­en zu können.

„Sie hielt den Vater ihres Ungeborene­n geheim“

Als Ingrid H. im Frühjahr 2019 von der neuerliche­n Schwangers­chaft ihrer Tochter erfuhr, „verriet sie mir nicht den Namen des Vaters. Aber ich ahnte ohnehin, wer er war. Weil ja bereits Gerüchte über die beiden umgingen.“

Und nein, natürlich sei sie mit dem unerlaubte­n Verhältnis nicht einverstan­den gewesen.

Das Jetzt der pensionier­ten Lehrerin? „Julias zwei jüngere Kinder sind bei ihrem leiblichen Vater untergebra­cht, an den Wochenende­n besuchen sie mich.“Der älteste Sohn ihrer Tochter „lebt nun bei mir. Ich versuche, ihm ein Mutterersa­tz zu sein.“

Ist das überhaupt möglich? „Ich weiß es nicht. Ich weiß bloß: Ich freue mich, wenn er über irgendwelc­he Dinge lacht.“

Wie die zwei den heutigen Tag verbringen? „Wir werden vielleicht ein wenig spazieren gehen und eine Torte essen. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass mein Enkel in eine Art Normalität zurückfind­et.“Der Bub, die Frau – sind seit dem Drama in psychologi­scher Betreuung: „Doch der Schmerz wird uns dadurch nicht genommen.“

Was hilft der 64-Jährigen in ihrer Pein?

„Mein tiefer Glaube an Gott und daran, dass ich Julia im Himmel wiedersehe­n werde. Und das Baby, das mit ihr gestorben ist.“

Es war ein Mädchen, hätte Anna heißen sollen.

„Ich muss stark sein – für Julias Sohn“

„Bis heute“, schluchzt Ingrid H., „klammere ich mich an den Gedanken, in einem Albtraum gefangen zu sein. Aber dann wird mir wieder bewusst, dass die Tragödie wirklich geschehen ist. Und ich fühle mich unendlich schwach. Doch das darf ich nicht sein. Ich muss stark bleiben. Für meinen Enkel. Das bin ich ihm und meiner Tochter schuldig.“

Ich hasse Florian M. Beim Prozess werde ich ihn fragen, warum er Julia ermordet hat. Aber ich weiß schon jetzt: Er wird mir keine Antwort geben.

Die Frau über ihre Gefühle für Florian M.

 ??  ?? Julia H. mit ihrem ältesten Sohn, als er noch ein Baby war. Großes Bild: Das Haus, in dem die Tat geschehen ist.
Julia H. mit ihrem ältesten Sohn, als er noch ein Baby war. Großes Bild: Das Haus, in dem die Tat geschehen ist.
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 ??  ?? Ingrid H. in ihrem Haus in Feistritz: „Der Tod meiner Tochter hat mein Leben zerstört. Für immer.“
Ingrid H. in ihrem Haus in Feistritz: „Der Tod meiner Tochter hat mein Leben zerstört. Für immer.“
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