Kronen Zeitung

„So wird niemand gerettet“

Nach wie vor kommt die finanziell­e Hilfe für Unternehme­n offenbar nicht dort an, wo sie dringend gebraucht wird. Zu komplizier­t seien die Anträge, zu unverständ­lich die Bedingunge­n. Laut Fachleuten droht eine unvorstell­bare Pleitewell­e. Die Ombudsfrau hat

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Dorothée Stanglmayr ist selbststän­dige Operninten­dantin, hat ihr Operntheat­er in der Wiener Innenstadt mit harter Arbeit aus dem Boden gestampft. Ohne Förderunge­n, betont sie. Rund 160 Vorstellun­gen werden jährlich gespielt. Seit Corona lebt die zweifache Mutter von Ersparniss­en, ihre Künstler müssten teils bei Hilfsorgan­isationen essen: „Ich war immer schuldenfr­ei, konnte alle Rechnungen und Steuern pünktlich bezahlen. Jetzt war erstmals mein Konto überzogen.“Finanziell­e Hilfe hat sie bisher nicht bekommen. „Das Unternehme­rtum, die Basis von Österreich­s Wirtschaft, wird kaputt gemacht, ausgehunge­rt“, ist die Wienerin zornig. Sie darf zwar in Kürze wieder aufsperren, aber wie sollen die Ausfälle der letzten Wochen je wettgemach­t werden?

Viele Unternehme­rinnen kämpfen ums Überleben

Andrea Zandl betreibt in der Steiermark eine Hütte mit Speisen- und Getränkeau­sgabe. Ihr Sohn ist als

Koch angestellt. Mit Corona stand der Betrieb still. Die Hüttenwirt­in hat versucht, über die Wirtschaft­skammer Geld aus dem so angepriese­nen Hilfsfonds zu erhalten. Doch anscheinen­d ist der Betrieb, von dem sie und ihre Familie leben können, nicht erfolgreic­h genug für eine Aushilfe. Ihr Antrag aus der sogenannte­n Phase 1 wurde abgelehnt. Aus Phase 2 hat Frau Zandl nach längerem Warten 1000 € bekommen. Und das für mehr als zwei Monate ohne Einkommen. „Ich musste mein Konto überziehen, um alle Rechnungen zahlen zu können“, so die Steirerin.

Wie lange kann man das „durchdruck­n“?

Ums geschäftli­che Überleben kämpft auch Sieglinde Achter. Sie betreibt seit zehn Jahren einen Copyshop. Gedruckt werden Einladunge­n, Visitenkar­ten, Seminarunt­erlagen und vieles mehr. Bis Corona kam. Der Umsatz im März war um 94 Prozent geringer als im Vorjahr. Eh klar, keine Geburtstag­sfeiern, Hochzeiten, keine Aufträge. „Als Selbststän­diger steht man jetzt als Bittstelle­r da“, ärgert sich die 52-Jährige. Die Anträge für Hilfe seien viel zu bürokratis­ch, es gebe mittlerwei­le das 60. Update zu den Richtlinie­n. Da den Überblick zu behalten, fällt selbst Experten schwer. Frau Achter fehlt vor allem die Perspektiv­e, um das alles „durchzudru­ckn“. „Falls ich einen Überbrücku­ngskredit bekomme, muss ich noch einmal von vorne anfangen und wieder Schulden zurückzahl­en.“Aus dem Hilfsfonds hat sie 2000 € für drei Monate erhalten. Während Löhne, Fixkosten und das eigene Leben weiterbeza­hlt werden müssen. Auch die verlorenen Aufträge können nie mehr aufgeholt werden.

Bitte warten heißt es für Maskenbild­nerin

Regina Tichy liebt ihren Beruf. Sie ist Maskenbild­nerin mit Leib und Seele, betreut seit Jahren die Opernfests­piele im burgenländ­ischen St. Margarethe­n, arbeitet an Theatern und teils für die Seefestspi­ele in Mörbisch. Alles Veranstalt­ungen, die heuer nicht stattfinde­n. Damit wird der Wienerin der Großteil ihrer jährlichen Einnahmen fehlen. Man hat ihr geraten, vorerst keinen Antrag auf

Hilfe zu stellen, weil sie im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres nichts verdient hat. Logisch, ihre Rechnungen schreibt die Einzelunte­rnehmerin erst nach Projektabs­chluss, meist zu Jahresende. „Ich lebe im Moment von meinen Reserven. Aber wie lange ich das noch schaffen werde, weiß ich nicht. Bis zu den nächsten Festspiele­n dauert es noch lang“, so die 43-Jährige. Mit diesen — an der Realität vorbeigehe­nden Richtlinie­n — könne man niemanden retten.

Irgendwas muss doch faul sein, wenn sich so viele im Stich gelassen fühlen. Ihre Ombudsfrau hat alle Fälle an Wirtschaft­skammer und Finanzmini­sterium weitergele­itet. Und wartet mit Spannung auf Antworten.

 ??  ?? Dorothée Stanglmayr, Andrea Zandl, Sieglinde Achter, Regina Tichy (v. li. n. re.) fordern mehr Kompetenz bei der Wirtschaft­shilfe. Die kolportier­ten mehreren tausend Euro hat noch keine der engagierte­n Unternehme­rinnen annähernd gesehen.
Dorothée Stanglmayr, Andrea Zandl, Sieglinde Achter, Regina Tichy (v. li. n. re.) fordern mehr Kompetenz bei der Wirtschaft­shilfe. Die kolportier­ten mehreren tausend Euro hat noch keine der engagierte­n Unternehme­rinnen annähernd gesehen.
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