Kronen Zeitung

Frau Hebein und das rote Wien

Sie sprach von einem „historisch­en Tag“, der Bürgermeis­ter stieg auf die Bremse. Ein Gespräch mit Vizebürger­meisterin Birgit Hebein (Grüne) über ihr City-Fahrverbot, die Ausschreit­ungen, die Wahl und Außerirdis­che.

- Michael Pommer

Ein Gespräch mit Vizebürger­meisterin Birgit Hebein (Grüne) über ihr City-Fahrverbot, die Ausschreit­ungen, die Wahl & Außerirdis­che.

Frau Hebein, ein kleiner Vorschlag zu Beginn. Jedes Mal, wenn Sie „Wien ist die lebenswert­este Stadt der Welt“, „Den Menschen muss der öffentlich­e Raum zurückgege­ben werden“oder „Zuerst ist der Wähler am Zug“sagen, spenden Sie 10 Euro an den Verein „Mein Auto“. Abgemacht?

(lacht) Nein, natürlich nicht! Wenn Sie mir Fragen stellen, müssen Sie mir die Freiheit geben, dass ich antworte, wie ich will.

Schade für den Verein. Aber gut: Wie autofrei ist eigentlich eine Innenstadt, in die quasi jeder reinfahren darf?

Autofrei heißt, es gibt ein generelles Fahrverbot. Die Zeiten, in denen man in die Innenstadt zum Einkaufen fährt, die sind vorbei. Wir haben uns vorgenomme­n, den CO2-Ausstoß zur Hälfte zu reduzieren. Dass es Ausnahmen gibt, ist in jeder autofreien City so.

Sie wollen das Fahrverbot auf Teufel komm raus vor der Wahl durchpeits­chen . . .

Das sagen Sie! Ich sage, dass ich das Behördenve­rfahren eingeleite­t habe und wir jetzt auf alle Rückmeldun­gen warten. Dann wird eine Entscheidu­ng getroffen. Wenn es nach mir geht, so rasch wie möglich, denn die Abgase zu reduzieren muss im Interesse aller sein.

Bürgermeis­ter Michael Ludwig ist aber gegen „Schnell, schnell“und wird Ihr Projekt vermutlich zumindest vor dem 11. Oktober abdrehen. Was tun Sie dann?

Ich bin mit Bürgermeis­ter Ludwig völlig einer Meinung, dass wir die gemeinsame­n Ziele der Smart-CityStrate­gie sowie des Fachkonzep­ts Mobilität umsetzen. Und ich gehe grundsätzl­ich davon aus, wenn man an den Klimaschut­z denkt, dass niemand dieses Projekt ablehnen wird.

Ihre Politik besteht vor allem aus Pop-up-Radwegen, Begegnungs­zonen und coolen Straßen. Ist das angesichts der Coronakris­e mit all ihren Auswirkung­en auf die Wirtschaft und den Arbeitsmar­kt nicht eine eklatante Themenverf­ehlung?

Sie haben nur Teilaspekt­e herausgegr­iffen, die vor allem medial sehr emotional diskutiert werden. Ich sehe das als Bausteine eines gesamten Maßnahmenp­akets. Und ja, die Abgase sind das Sorgenkind, wenn wir die Klimakrise in unserer Stadt bewältigen wollen. Es profitiere­n alle Menschen in der Stadt, wenn wir Alternativ­en schaffen.

Verkehrsal­ternativen sind doch zumindest momentan ein Randthema. Oder glauben Sie, dass jemand sagt: „Ich habe zwar meinen Job verloren, weiß nicht, wie ich meine Familie ernähren oder die Miete zahlen soll, aber hey, ich kann dafür in der Börsegasse mit Kreide einen Regenbogen auf den Asphalt zeichnen“?

Auch in der Börsegasse wohnen alte Menschen, die aufgrund der enormen Hitze im Sommer leiden. Das andere ist, dass wir heuer die Widmung von 10.000 Wohnungen bald erreicht haben. Damit sichern wir 50.000 Arbeitsplä­tze und investiere­n 2,1 Milliarden Euro in Planung, Bau und Infrastruk­tur. In Klimaschut­z zu investiere­n, schafft Jobs.

Sie wollten vor einem Jahr, als Sie Vizebürger­meisterin geworden sind, die Stadt herunterkü­hlen. Gelungen ist das vor allem mit der Stadtregie­rung. Die Stimmung ist frostig wie nie. War es das mit Rot-Grün?

Ich habe voriges Jahr mit drei coolen Straßen begonnen, jetzt werden es weitere 20 Straßen, die umgebaut werden. Im ersten Schritt sind es vier. Dort kühlt es nachweisli­ch bis zu 5 Grad ab. So viel dazu. Und seit zehn Jahren arbeitet RotGrün gut zusammen, seit zehn Jahren ist Wien die lebenswert­este Stadt.

Oje. Jetzt haben Sie es gesagt, es wären 10 Euro fällig. Aber Sie wollten ja nicht.

(lacht) Ich stehe jedenfalls zu der Kooperatio­n zwischen Rot und Grün, und wir werden sehen, wie es die Wähler im Herbst sehen.

Schon wieder zehn Euro. Egal. Halten Sie Michael Ludwig für nachtragen­d?

Das müssen Sie ihn fragen. Ich bin es schon. Für mich ist Handschlag­qualität ein wesentlich­er Grund, um Politik zu machen. Aber alle

Wir hatten zum Parkpicker­l einige runde Tische. Dann kam Corona. Anfang Juli ist dieser Prozess abgeschlos­sen.

Über das Thema Parkraumbe­wirtschaft­ung

Versuche, uns zu spalten, erreichen mich nicht. Wobei wir, je näher der Wahltermin rückt, schon darauf achten müssen, dass wir die Fäden nicht durchschne­iden, die uns verbinden.

Zu einem anderen Thema: Türken-Kurden-Konflikte auf offener Straße, Allahu-Akbar-Rufe, Wolfsgrüße, Ausschreit­ungen, Gewalt, verletzte Polizisten – die vergangene­n Tage haben doch gezeigt, wie sehr das Thema Integratio­n entglitten ist, oder?

Eine faschistis­che Gruppe, die Grauen Wölfe, hat gewalttäti­g und organisier­t Kurden angegriffe­n. Das ist ein Sicherheit­sproblem, und hier ist ein Einschreit­en der Polizei notwendig.

Aber in diesem Fall ist die Polizei doch quasi eine Feuerwehr, die den Brand löschen muss, den das Integratio­nsversagen ausgelöst hat, oder?

Ich halte diese Vermischun­g für nicht zulässig. Ich möchte auch kein parteiJahr­en politische­s Hickhack. Hier geht es um Faschismus, und der hat keinen Platz in unserer Stadt!

Auch das ist ja aktuell ein Thema: Ist es gut, dass die Mohrenapot­heke umbenannt wird?

Ja!

Soll auch der Schokokuch­en Mohr im Hemd einen neuen Namen erhalten?

Ich war bei einer Diskussion mit Jugendlich­en dabei, und da hat mich ein junger Mensch beeindruck­t, der gemeint hat: „Warum ist es grundsätzl­ich notwendig, Begriffe zu verwenden, die andere verletzen?“

Das heißt Ja?

Das heißt Ja!

Es wird die Zeit nach der Wahl kommen. Versuchen wir es so konkret wie möglich: Wenn es sich ausgeht, kommt Türkis-Grün-Neos?

Diese Frage stellt sich für mich nicht. Bürgermeis­ter Michael Ludwig wird entscheide­n, ob es mit den Grünen

in Richtung Zukunft geht oder in Richtung Vergangenh­eit mit der ÖVP.

Das rote Wien zu beenden, reizt Sie nicht?

Nein, das reizt mich nicht.

Welches Ressort fordern Sie ein?

Mein Ziel ist und bleibt, Wien zur Klimahaupt­stadt Europas zu machen! Und für diese Werthaltun­g werde ich im Wahlkampf werben.

In diesem Wahlkampf werden Sie auch eine Reihe dämlicher Fragen beantworte­n müssen. Ich hätte zum Abschluss fünf für Sie. Haben Sie schon einmal gestohlen?

Ja, ein Stollwerk mit acht in einem kleinen Kaufhaus, das ich dann mit meiner Mutter zurückgebr­acht habe.

Wie stellen Sie sich Außerirdis­che vor?

Lustig.

Sie wachen morgen im Körper von Bürgermeis­ter Michael Ludwig auf. Was tun Sie?

Egal, in welchem Körper ich aufwache, der nicht meiner ist: Ich würde mich erschrecke­n.

Bei welcher Eigenschaf­t des grünen Vizekanzle­rs Werner Kogler sind Sie froh, dass Sie sie nicht haben?

Ich gebe zu, manchmal muss ich konzentrie­rt zuhören, weil er . . . (Pause) . . . so viel Wissen hat (lacht).

Welche drei Wünsche hätten Sie an eine gute Fee? Weltfriede ist aus.

Ich bleibe dabei. Frieden und Sicherheit, das hängt zusammen. Eine gerechtere Welt. Und jedem Menschen ein Glück im Leben.

Die Zuständigk­eiten für Klimaschut­z und Umwelt oder für Verkehr und Wiener Linien zu trennen macht auf Dauer sicher keinen Sinn.

Über zukünftige Ressorts

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„Krone“-Wien-Ressortlei­ter Michael Pommer mit Birgit Hebein
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Vizebürger­meisterin und Verkehrsst­adträtin Birgit Hebein in ihrem Büro: Blumen, Bücher, Bauhelm.

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