Kronen Zeitung

Warum im Herbst die Pleitewell­e droht

Im ersten Halbjahr gab es 600 Insolvenze­n weniger als im selben Zeitraum 2019. Kommt Österreich mit blauem Auge durch die Krise? Im Gegenteil, so Kreditschü­tzer.

- Teresa Spari

Ein Viertel weniger Firmenplei­ten, über ein Drittel weniger Privatinso­lvenzen: Auf den ersten Blick scheint es, als ob die österreich­ische Wirtschaft unbeschade­t durch die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg taucht. Doch der Schein trügt: „Gefahr im Verzug“, warnt der Gläubigers­chutzverba­nd KSV1870 und wendet sich in einem offenen Brief an die Bundesregi­erung. Denn die verzögere mit ihren Maßnahmen die Insolvenzw­elle und schade so der gesamten Wirtschaft. „Nur weil weniger Insolvenze­n angemeldet werden, heißt das nicht, dass weniger Unternehme­n zahlungsun­fähig sind“, sagt Karl-Heinz Götze, Insolvenz-Experte beim KSV.

Der KSV sieht drei Gründe, warum die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr so drastisch gesunken sind: Ist ein Unternehme­n zahlungsun­fähig, hat es 120 Tage Zeit für einen Insolvenza­ntrag – vor Corona waren es nur 60 Tage. Zudem würden viele Betriebe warten und hoffen, mithilfe von Förderunge­n und staatliche­r Unterstütz­ung wieder auf die Beine zu kommen. Und: In der Vergangenh­eit waren die meisten über nicht bezahlte Abgaben an Finanzbehö­rden oder Gesundheit­skasse gestolpert.

2,65 Milliarden Euro werden fällig

Die stellen aber zurzeit keine Insolvenza­nträge, und haben den Firmen die Beiträge gestundet. 150.000 Unternehme­n haben das bei der Sozialvers­icherung in Anspruch genommen – ein Volumen von 2,25 Milliarden Euro. Dazu kommen 400 Millionen Euro bei der Österreich­ischen Gesundheit­skasse. Geld, das die Unternehme­n nach der Krise voraussich­tlich nachbezahl­en müssen.

Kreditschü­tzer fordern nun eine rasche Rückkehr zum Insolvenzr­echt vor Corona, unter den aktuellen Bestimmung­en würden Firmen dazu ermutigt, Insolvenze­n zu verschlepp­en: „Es reicht. Wir müssen unseren Wirtschaft­sstandort wieder in ein vernünftig­es Fahrwasser führen. Endlose Stundungen und Verschlepp­ungen von Insolvenze­n beschönige­n rein die Statistike­n; schaden aber mittel- bis langfristi­g der heimischen Wirtschaft“, sagt KSV-Geschäftsf­ührer RicardoJos­é Vybiral.

Der Gläubigers­chutzverba­nd Credtirefo­rm fürchtet gar, dass die Verschlepp­ung „Zombieunte­rnehmen“schaffe: unrentable und überschuld­ete Unternehme­n, die nicht genug einnehmen, um ihre Zinsverpfl­ichtungen zu decken. „Sie sind unprodukti­v und verursache­n volkswirts­chaftliche­n Schaden“, sagt Creditrefo­rm-Geschäftsf­ührer Gerhard Weinhofer.

Probleme gäbe es auch bei Privatinso­lvenzen,so Weinhofer weiter: „In einer Krise kümmern sich die Menschen zuerst um Gesundheit und soziales Umfeld und erst dann um finanziell­e Angelegenh­eiten.“Im ersten Halbjahr 2020 wurden 3706 Privatinso­lvenzen eröffnet, im selben Zeitraum 2019 waren es 2000 mehr. Ein Grund für das Minus sei die fehlende Schuldnerb­eratung, ein anderer Ratenstund­ungen. „Laufen die die irgendwann aus, wird aus einem Verschulde­ten schnell ein Überschuld­eter“, so Weinhofer.

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Foto: Gerhard Bartel Creditrefo­rmBoss Gerhard Weinhofer: „In der Krise kümmern sich Menschen zuerst um Gesundheit, dann um Finanzen.“
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Foto: KSV/ Günther Peroutka KSV-Chef Vybiral: „Endlose Stundungen und Verschlepp­ungen von Insolvenze­n beschönige­n Statistik.“

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