Verhaltensmüde
Die Corona-Opferzahl hat gestern die bedrückende Marke der halben Million überschritten: 501.200 Menschen sind mittlerweile an Covid-19 gestorben, die weltweite Zahl der Neuinfektionen erreichte binnen 24 Stunden den Rekordwert von 189.000. Auch in Österreich klettert die Zahl der Infizierten wieder deutlich nach oben. Kündigt sich die vielgefürchtete „zweite Welle“bereits an? Oder sind wir schon mittendrin?
Verwunderlich wäre es nicht. Wer am vergangenen Wochenende unterwegs war, sah kaum noch Babyelefanten. An den Seen lagen Sonnenhungrige wie Sardinen nebeneinander. In die Parks strömten Massen, an den Flussufern wurden Partys gefeiert, als hätte es nie eine Pandemie gegeben. Immer mehr Menschen brechen die Regeln, die noch immer gelten sollten. Menschenansammlungen meiden, Abstand halten! Und in geschlossenen Räumen: Masken tragen.
Warum glauben so viele, das Virus hätte sich plötzlich in Luft aufgelöst? Sind selber Nachdenken und Verantwortung übernehmen abgeschafft, seit die Regierung immer mehr Lockerungen bekannt gibt? Und ist das freiwillige Tragen des Mund-Nasen-Schutzes so abwegig, nur weil es nicht mehr Pflicht ist?
Der britische Premierminister Boris Johnson wollte die Corona-Krise mit Herdenimmunität bekämpfen. Seine Begründung war, dass Menschen in einer Krise verhaltensmüde werden und strikte Regeln nicht über Monate einhalten können. Das mit der Herdenimmunität hat zwar nicht geklappt, aber mit dem Rest könnte er Recht behalten.