Schweizer Freiheitsheld
Richter zu dem angeklagten Schauspieler einer Wanderbühne: „Sie sollen bei der ,Wilhelm Tell‘-Aufführung im Sommer letzten Jahres den Knaben, dem Sie den Apfel vom Kopf geschossen haben, am Scheitel leicht verletzt haben.“
Beschuldigter: „Des war a Angestellter von dem Wirtn, bei dem ma gspült habn. I werd doch net auf a Kind schiaßn! Der Herr is volljährig, Herr Rat.“
Richter: „Gleich viel. Sie dürfen überhaupt nicht schießen. In jeder ,Tell‘-Aufführung wird der Schuss nur imitiert, da schießt man überhaupt nicht, da wird der Pfeil getragen. Man tut nur so, als würde man mit der Armbrust schießen, aber man schießt nicht.“
Beschuldigter: „Des können S am Land doch net machn. Da muass alles naturgetreu sein. De Leut wolln a Bluat sehn, sunst hauns uns de Bühne zsamm. De kennen da nix.“
In der ersten Reihe der Zuhörerbank wurde ein zischendes Flüstern laut. Richter: „Wer spricht hier dauernd?“
Beschuldigter: „Des is mei Souffleur. Den hab i mir mitbracht, weil i mir kan Advokaten leistn kann.“
Staatsanwalt: „Herr Beschuldigter, Sie geben also zu, dass Sie mit einer echten Armbrust einen echten Schuss auf einen echten Apfel, der auf einem echten Kopf lag, abgefeuert haben!“
Beschuldigter kleinlaut: „Das stimmt.“
Zum wiederholten Male ist ein Flüstern in der ersten Reihe zu hören.
Beschuldigter: „Entschuldigen
S, mei Souffleur sagt grad, dass des net stimmt. Einen Pfeil kann man nicht abfeuern, nur abschießen. Weil bei einem Pfeilschuss is ka Feuer dabei. Sagt mei Souffleur.“
Staatsanwalt, wütend zu dem Einflüsterer: „Verlassen Sie bitte umgehend den Saal!“
Der Souffleur geht, der Schauspieler will ebenfalls den Verhandlungssaal verlassen.
Richter: „Sie bleiben hier!“
Beschuldigter: „Herr Rat, des geht net! Ohne Souffleur bin i hülflos! I bin noch nie ohne Souffleur aufgetreten!“
Nach einem turbulenten Verhandlungsgang wurde eine Geldstrafe wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit verhängt.