Vertreibung aus dem Paradies
Der 56-jährige Schauspieler Eberhard T. war wegen Übertretung der öffentlichen Sittlichkeit angeklagt. Er hatte mit seiner Freundin, einer ebenfalls nicht mehr ganz jungen Sängerin, ein Schäferstündchen im Wald verbracht und dabei nicht den nötigen Abstand beachtet.
„Ich bitte um Gnade!“, rief der Schauspieler Eberhard T. dem Richter zu. „Die Liebe ist eine Himmelsmacht! Ich und Stefanie, die von mir innigst geliebte Frau, wurden angesichts der blühenden Natur von unseren Gefühlen überwältigt! Halb zog sie mich hin, halb sank ich hin.
Wir küssten uns heiß, wir fühlten uns im Paradies! Ich dachte, nur die Gänseblümchen sehen uns zu. Wusste ich, dass ein Jagdgeselle mit Flinte und Fernrohr auf einem Hochsitz saß? Dieser Mann, der Mörder manch munteren Rehleins, hatte nichts Besseres zu tun, als unser Idyll zum
Anlass einer Anzeige zu nehmen!“
„Küssen ist keine Sünde“, sagte der Richter. „Aber wenn man so stürmisch wird wie Sie, muss man sich eben entsprechend zurückziehen!“
„Ein harter Kampf wars, den ich gegen die Triebe meines Herzens führte!“, rief der Schauspieler aus. „Stefanie, die züchtige Frau, wandte sich errötend ab, als ich sie an meine Seite ziehen wollte. Mit bebender Hand ergriff ich ihren Arm. Dabei löst sich – teuflisches Schicksal! – ihr Jäckchen von der zarten Schulter. Noch während ich meinen Blick zur Seite zwang, erschien der Jagdgeselle mit mächtigem Schnauzbart und polternder Stimme. Er vertrieb uns wie ein Erzengel aus dem Paradies. Und nahm uns die Personalien ab.“
„Was der da erzählt, ischt a Topfn“, sagte der aus Tirol stammende Jäger. „Schama soll er se, der Depp, der narrische. Und de alte Schabrackn, de auftackelte, mit dazua. Bei mir im Wald muass a Urdnung herrschn. Da kenn i kan Pardon. Überhaupt nebn dem Weg, wo manchmal der Herr Mesner vurbeikummt, wann er in der Kapelln des Weihwasser nachfüllt.“
Die Verhandlung wurde vertagt. Frau Stefanie, die der Verhandlung ferngeblieben war, wird eine neuerliche Ladung erhalten. „Arme Geliebte!“, rief der Schauspieler. „So wirst auch du vor die Schranken des Gerichts gezerrt!“