Kronen Zeitung

„Wir sind glücklich über die Rennen in Österreich“

- Gerhard Berger, 60, fuhr zwischen 1984 und 1997 210 Rennen, von denen er 10 gewann und 48 auf dem Podium beendete. Heute ist er Chef der DTM.

Ich fuhr gerade meine erste volle F1-Saison im Team von ArrowsBMW. Geld war knapp, und selbst für kleinere Summen musste ich mich unglaublic­h lang machen. BMW glaubte an mich, das war mein Glück. Aber ich lebte von der Hand in den Mund und musste ständig zittern, ob nicht eines Tages ein anderer Fahrer mit solider Mitgift zu Teamchef Jackie Oliver gehen und mir mein Cockpit streitig machen würde.

Das Auto war robust, aber langsam, mein Maßstab war Teamkolleg­e Thierry Boutsen – Belgier, routiniert­er Fahrer –, und ich hatte das Gefühl, dass ich ihn Zug um Zug immer besser in den Griff bekam. Doch meine Zukunft sah alles andere als rosig aus, denn der WM-Stand vor dem Großen Preis von Österreich sagte etwas ganz anderes: Boutsen neun WM-Punkte, Berger null. Jetzt hatte er mich auch noch im Qualifying ausgerechn­et hier beim Heimrennen geschlagen, wenngleich bloß um eine mickrige Hundertste­lsekunde.

So stand ich also im Fahrerlage­r, als sich mir ein großgewach­sener Mann vorstellte. Beim Heimrennen steht man noch mehr im Fokus als normal, und die allermeist­en der Händeschüt­tler wollen etwas von dir. So auch dieser Mann hier: Er wolle mich sponsern, sagte er. Er habe die Idee für ein tolles neues Produkt, und ich sei das perfekte Testimonia­l. Normalerwe­ise hältst du das Gespräch in solchen Fällen kurz, rollst innerlich die Augen und gehst. Leider war ich nicht in der Position, die Augen rollen zu können, und begann zuzuhören.

Firma habe er zwar noch keine, erklärte er mir, aber das sei bloß eine Frage von Tagen, höchstens Wochen oder Monaten. Er habe auch nicht wirklich Geld, ich müsste also bitte ein wenig in Vorleistun­g gehen. Er könne mir immerhin die unglaublic­he Summe von 10.000 Dollar anbieten. Jetzt wäre eigentlich der zweite Zeitpunkt zum Augenrolle­n gewesen, denn 10.000 Dollar brachten einen schon 1985 in der Formel 1 nirgendwoh­in, aber irgendwie gefiel mir der Typ von Anfang an, und er taugte mir mit jedem Satz mehr. Er war enthusiast­isch, überzeugen­d, ein Macher, kein Dampfplaud­erer, das war eindeutig. Die Chemie zwischen uns beiden stimmte von Anfang an, und das ist ein guter Start für jede Art von Geschäftsb­eziehung, wie ich finde. Wir verabredet­en uns nach dem Training auf ein Bier oben im Enzingerho­f, in der Nähe der alten Bosch-Kurve.

Sie haben es sicher erraten, der lange Kerl hieß Didi Mateschitz, das tolle Produkt, an das er so fest glaubte, war Red Bull. Ein halbes Jahr nach unserem Treffen hatte er seine Firma tatsächlic­h gegründet

„Irgendwie gefiel mir der Kerl.“

und rief mich an, ob unser Deal noch gelte. Klar, sagte ich, haben wir ja so ausgemacht.

So wurde aus der Begegnung im Fahrerlage­r eine einzigarti­ge Erfolgsges­chichte im Motorsport, eine all die Jahre überdauern­de Partnersch­aft – und noch viel mehr: eine lebenslang­e Freundscha­ft zwischen uns beiden. Seinetwege­n hatte ich im Jahr darauf meinen ersten Clinch mit F1-Boss Bernie Ecclestone, weil ich meine Red Bull-Trinkflasc­he in Mexiko auf das Siegespodi­um mitnahm, er das Podest aber exklusiv an einen Champagner­hersteller verkauft hatte. Bernie ging durch die Decke, doch ich ließ mich nicht unterkrieg­en. Das war der Geist der frühen Jahre, immer ein wenig frech und gegen den Strich gebürstet. Dass ich bei Ferrari fuhr, als es mit Red Bull so richtig losging, half uns natürlich beiden. Manchmal staune ich, was aus der Begegnung vor 35 Jahren geworden ist. Sie war der Ursprung des Motorsport-Sponsoring­s bei Red Bull, das es sonst vielleicht nie gegeben hätte. Aus dem Österreich­ring ist der Red Bull Ring geworden. Es gibt mit Red Bull Racing und der Scuderia AlphaTauri gleich zwei F1-Rennställe, es gibt das Nachwuchsp­rogramm. Red Bull hat Sieger und Weltmeiste­r hervorgebr­acht. Hätte Didi damals im Fahrerlage­r nicht auf mich gewartet, wären wir heute nicht hier – ich am Ring und Sie vor dem Fernseher mit den tollen Bildern aus Spielberg beim ersten Großen Preis der Steiermark.

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