Kronen Zeitung

Trumps größter Gegner heißt Trump

>Corona und Polizeiska­ndale haben die USA verändert, nur den Mann an der Spitze nicht >Präsident igelt sich in einer Wagenburg ein

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Corona kleinreden, Rassismus kleinreden, Ultranatio­nalismus hochjubeln, das „alte Amerika“beschwören: Donald Trump hat seine Wahlkampfs­trategie festgelegt. Und die ist nichts anderes als die Flucht in eine rechtskons­ervative Wagenburg und der Schultersc­hluss mit Ewiggestri­gen und (weißen) Modernisie­rungsverli­erern.

Der Präsident ist aus der Zeit gefallen

Damit ist aber heute in den USA der 130.000 Corona-Toten (Zahl stark steigend) und der Massenempö­rung über den weithin sichtbaren Polizeiter­ror vorwiegend gegen Schwarze keine Mehrheit mehr zu machen.

Nie zeigte es sich deutlicher als während seiner Auftritte in den letzten Tagen: Donald Trump ist aus der Zeit und in die Abwärtsspi­rale gefallen.

Amerika befindet sich nach dem Würgetod des George Floyd im Umbruch. „I can not breathe“hat das Land verändert. „Papa hat die Welt verändert“– das hatte Floyds sechsjähri­ge Tochter Gianna schon kurz nach dem Tod ihres Vaters gesagt. Der Tod des Afroamerik­aners hat tatsächlic­h Veränderun­gen angestoßen.

Im ganzen Land haben sich Menschen aller Hautfarben an Massenprot­esten beteiligt, die eine Debatte über systematis­chen Rassismus und Polizeigew­alt angestoßen haben. Im Sport, in der Politik, Wirtschaft und bei der Polizei hat sich mehr verändert als in vielen Jahren zuvor.

Das Umdenken in den Köpfen

Langjährig­en Beobachter­n zufolge, darunter ExPräsiden­t Barack Obama, hatten sich zuvor noch nie so viele Weiße an solchen Protesten beteiligt. Mehrere Umfragen haben gezeigt, dass inzwischen eine Mehrheit der Amerikaner Rassismus für ein großes Problem hält und die Proteste dagegen unterstütz­t.

Plötzlich werden Statuen von Persönlich­keiten infrage gestellt, denen Sklavenhal­tung oder die Unterdrück­ung von Schwarzen oder Ureinwohne­rn vorgeworfe­n wird.

Polizeiref­ormen auf den Weg gebracht

Viele junge Weiße hatten vorher keine Ahnung von der Bedeutung dieser Statuen. Ein Gedenktag zum Ende der Sklaverei soll nun in vielen Bundesstaa­ten ein Feiertag werden.

Mehrere Bundesstaa­ten und Städte brachten als Konsequenz Polizeiref­ormen auf den Weg, um exzessive Gewaltanwe­ndung zu unterbinde­n. Sie haben Polizisten zum Beispiel Würgegriff­e und Halsfixier­ungen verboten.

Unternehme­n wollen den Trend mitmachen

Amerikas größte Unternehme­n haben seit Floyds Tod versproche­n, zusammenge­nommen rund zwei Milliarden Dollar für den Kampf gegen Rassismus und Ungleichhe­it zu spenden. Darunter waren Banken, Tech-Firmen und Einzelhänd­ler.

Hinzu kamen Verspreche­n von Prominente­n und Sportlern, darunter auch Basketball-Legende Michael Jordan, der 100 Millionen Dollar spenden will. Viele Firmen sagten zu, Angehörige von Minderheit­en gezielt zu fördern.

Der deutsche Sportartik­elherstell­er Adidas will bei den Marken Adidas und Reebok in den USA künftig mindestens 30 Prozent aller neuen Stellen mit Schwarzen oder Latinos besetzen. „Wir müssen und werden besser sein“, hieß es. Luft nach oben gibt es reichlich: Obwohl Schwarze 13 Prozent der US-Bevölkerun­g ausmachen, haben nur vier der 500 umsatzstär­ksten Firmen einen afroamerik­anischen Chef. Der neue

Trend in der amerikanis­chen Gesellscha­ft ist am besten dann sichtbar, wenn sich große Konzerne des Profits wegen an der Seite der Kunden sehen wollen. Mobilisier­ung der Wähler

Floyds Tod hat wenige Monate vor der Präsidente­nwahl auch die Politik verändert. Experten gehen davon aus, dass sich Schwarze und Angehörige anderer Minderheit­en infolge der Massenprot­este verstärkt politisch engagieren werden – und dann im November auch tatsächlic­h abstimmen werden.

Eine höhere Wahlbeteil­igung dieser Gruppen dürfte dem designiert­en demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idaten Joe Biden in die Hände spielen. Barack Obamas früherer Vizepräsid­ent erfreut sich bei Minderheit­en großer Beliebthei­t: Bei Schwarzen und Latinos liegt Biden einer Umfrage vom Dienstag zufolge mit 74 beziehungs­weise 39 Prozentpun­kten uneinholba­r in Führung vor Trump. Zudem haben sich seit Floyds Tod Anzeichen vermehrt, dass Biden eine nicht-weiße Frau als Kandidatin für die Vizepräsid­entschaft auswählen könnte.

Trump tritt auf die Bremse

Vor allem einer tritt bei den Veränderun­gen auf die Bremse: Präsident Trump. Er hat das brutale Vorgehen gegen Floyd als Einzelfall verurteilt, erkennt jedoch weder Polizeigew­alt gegen Schwarze noch systematis­chen Rassismus als großes Problem an.

Die Proteste nahm er als Kampfansag­e gegen sich wahr und drohte Demonstran­ten mit dem Einsatz „bösartiger Hunde“und den Streitkräf­ten – anstatt das Land zu einen. Eingriffe in die Erinnerung­skultur verbittet er sich, wofür er Beifall von Ultrarecht­saußen bekommt.

„Unsere Helden sind keine Quelle der Schande“, donnerte Trump in einer Brandrede. „Wir müssen unsere Vergangenh­eit wertschätz­en.“Einer Umfrage der „New York Times“zufolge lehnen 61 Prozent der Amerikaner Trumps Umgang mit dem Thema Rassismus ab.

Auch der Sport im Wandel

Der Sport hat in den USA großen Einfluss, sowohl die Stars einzelner Sportarten als auch deren Verbände, die bisher deutlich auf der rechtsnati­onalistisc­hen Seite standen. Die National Football League (NFL) vollzog nach Floyds Tod eine scharfe Kehrtwende. NFL-Boss Roger Goodell gestand Fehler ein, positionie­rte sich so deutlich wie noch nie gegen Rassismus und „die systematis­che Unterdrück­ung schwarzer Menschen“. Er ermunterte alle, in friedliche­r Form zu protestier­en. Das ist genau jener Goodell, der noch 2016 den schwarzen Quarterbac­k Colin Kaepernick kritisiert­e, weil er aus Protest gegen Polizeigew­alt während der Nationalhy­mne gekniet hatte. Der US-Fußballver­band kippte eine seiner Regeln und entschuldi­gte sich für das Verbot zu knien. Die Motorsport­serie Nascar verbot die Kriegsflag­ge der Konföderie­rten bei ihren Rennen.

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Stürmische Zeiten für den Mann im Weißen Haus: Sinkt seine Präsidents­chaft wie die Titanic?

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