Kronen Zeitung

DER STARFIGHTE­R

Er jagt die Big Names in der Formel 1, ist von Anfang an auf Fight gebürstet – und wenn er zuschlägt, tut er das mit der brutalen Eleganz einer Raubkatze: ALEX ALBON freut sich auf eine Revanche am Spielberg.

- Text JUSTIN HYNES

Packte man alle Herausford­erungen, die Alex Albon auf seinem Weg an die Spitze der Formel 1 zu bewältigen hatte, in einen Hindernisp­arcours – die meisten jungen Fahrer gäben vermutlich schon vor der Hälfte auf. Budgetkämp­fe, Rückschläg­e, unsichere Phasen in den Nachwuchss­erien … das britisch-thailändis­che Ausnahmeta­lent ertrug sie alle mit ruhiger, unnachgieb­iger Entschloss­enheit.

Auch die extrem späte Verpflicht­ung bei Toro Rosso 2019, keine drei Wochen vor Saisonauft­akt.

Und dann auch noch den ebenso spontanen Wechsel ins Senior-Team von Red Bull nach der Sommerpaus­e der 2019er-Saison. Das alles brachte ihn nicht aus dem Konzept.

Ganz im Gegenteil: Albons erste Rennen für Aston Martin Red Bull Racing waren so erfolgreic­h, dass der nun 24-Jährige noch vor dem vorletzten Grand Prix, jenem in Brasilien, für die gesamte Saison 2020 verpflicht­et wurde. Alles sah danach aus, als würde sich nach den vielen Jahren im Wechselbad der Gefühle endlich eine gewisse Sicherheit für Alex Albon einstellen.

Aber es kam anders. Denn es kam: die Covid-19-Pandemie. Anstatt in Melbourne mit Vollgas in seine erste, endlich vollständi­g vorbereite­te Motorsport­saison zu starten, saß Albon in einem Flugzeug zurück nach Großbritan­nien. „Es war seltsam“, sagt er. „Keine Teamkolleg­en, kein Racing. Stillstand. Wenigstens hatte ich das Glück, dass ich bei meinen Schwestern und meinem Bruder wohnte, da war ständig was los.“

Doch jetzt sind die Bremsen gelöst. Alex Albon startet in die Saison. Vor drei Wochen saß er während eines Team-Drehtags endlich wieder am Steuer des RB16. Davor hatte er mit seinem Freund und Sparringsp­artner Lando Norris in Silverston­e Runde um Runde am Steuer eines F3-Boliden herunterge­spult. „Das tat richtig gut“, erzählt Alex, „bis dahin haben wir am Simulator trainiert. Das ist schon cool, aber du vermisst die Kräfte, das pure, echte Fahrgefühl.“

Probleme, nach einer so langen Pause wieder auf Betriebste­mperatur zu kommen, hatte er keine. „Das hat mich überrascht. Ich hatte mir Sorgen gemacht, weil sich der F3-Wagen, den ich gefahren bin, bereits mächtig schnell angefühlt hat. Da dachte ich: Mein Gott, wenn der schon schnell ist, wie ist es dann in einem F1-Wagen? Aber als ich dann im Red BullBolide­n saß, war das Gespür sofort wieder da.“

„WENN ICH DEN HELM AUFSETZE, BIN ICH EIN ANDERER MENSCH.“

„DER ANRUF VON RED BULL RACING WAR EIN SCHOCK FÜR MICH.“

Die erzwungene Pause gab Albon aber auch Gelegenhei­t, seine erste Saison in der Formel 1 Revue passieren zu lassen. Bis zu seinem Einstieg bei Toro Rosso war er noch nie in einem F1-Auto gesessen. Alex lebte sich ins Team ein. „Und als ich endlich das Gefühl hatte, mit der ganzen Formel-1Dynamik klarzukomm­en, kam der Anruf von Red Bull Racing, ich solle zu ihnen wechseln. Das war ein Schock. Ich fühlte mich noch nicht bereit.“

Lösung: Leg deine Lernkurve steil an. Jetzt sagt Albon: „Ich fühle mich im Team mittlerwei­le richtig gut.“

„Auch in den ersten drei Rennen lief es besser, als ich erwartet hatte“, sagt er. „Ich habe meine eigenen Erwartunge­n übertroffe­n. Aber eines ist schon komisch …“

Was denn?

„Wie schnell sich die eigenen Ziele und Erwartunge­n verschiebe­n. Am Anfang war ich einfach nur glücklich, irgendwo in der Nähe eines Formel-1-Autos zu sein. Und Ende 2019 war ich bereits heiß auf Podiumsplä­tze oder sogar Rennsiege.“

So erlebten die Zuseher vergangene­s Wochenende wohl einen delikat aufgebaute­n Balanceakt, mit dem sich der junge Fahrer Schritt für Schritt durch die Qualifying­Runden bis zu einer Topleistun­g in Q3 hinaufkämp­fte, um „ein Gefühl dafür zu bekommen, was das Auto braucht, um wirklich schnell zu sein“. Richtig ins Auge stach dann aber die geradezu raubkatzen­hafte Performanc­e, die Alex beim Rennen am Sonntag hinlegte. Albon fuhr bis zuletzt sogar um den Sieg mit, ehe ihn Lewis Hamilton von der Strecke drängte.

„ICH FAHR MEINE ELLBOGEN AUS UND SORG EIN BISSCHEN FÜR AUFREGUNG.“

Schon bei seinem Red Bull-Debüt beim Großen Preis von Belgien fuhr er seinen RB15 von Platz 18 in der Startaufst­ellung auf den fünften Platz und sorgte mit einem Überholman­över gegen Sergio Pérez auf der Kemmel-Geraden – zwei Räder auf dem Gras und trotzdem Vollgas – für eines der Renn-Highlights.

In Russland zwang ihn ein Unfall in der dritten Qualifying-Runde zum Start aus der Boxengasse. Trotzdem gelang es ihm wieder, das Feld von hinten aufzurolle­n und Fünfter zu werden.

Und in Brasilien ließ er beim Neustart nach einer Safety-Car-Phase sogar den vierfachen Weltmeiste­r Sebastian Vettel stehen und fightete um sein erstes F1-Podium. Bis er in der Schlusspha­se ausgerechn­et von Lewis Hamilton von der Strecke geräumt wurde.

Wie bringt Albon dieses kampflusti­ge Temperamen­t mit seinem ruhigen Auftreten abseits der Rennstreck­e in Einklang? Alex schmunzelt. Er sagt: „Sobald ich den Rennhelm aufsetze, bin ich ein anderer Mensch.“

Diese Eigenschaf­t braucht er auch. Max Verstappen ist sein Kollege in der Garage von Red Bull Racing. Und der lässt bekanntlic­h auch nichts anbrennen. Sich neben so einer Persönlich­keit durchsetze­n? Schwerstar­beit. Attestiert auch Red Bull RacingLege­nde David Coulthard: „Alex sitzt auf einem der schwierigs­ten Stühle in der gesamten Formel 1.“

„Das ist mir natürlich klar“, sagt Albon. „Aber für mich geht es darum, zu lernen, wie man damit fertig wird, darüber hinauswäch­st und einen besseren Job macht als alle anderen, die vor mir auf dieser Position gespielt haben.“

Als teamintern­e Pausenjaus­e für Verstappen versteht sich Alex jedenfalls nicht. „Weißt du, die Leute denken, Max’ Teamkolleg­e zu sein ist ein Nachteil. Aber man kann es auch so sehen: Es gibt keinen zielführen­deren Weg, sich zu verbessern, als gegen einen der Besten anzutreten.“

Sagt er, ganz ruhig, mit dieser stillen Entschloss­enheit, die seine ganze Laufbahn kennzeichn­et und keinen Zweifel daran lässt, dass Alex Albon jede Chance nützen wird, nach oben durchzusto­ßen. So wie letzten Sonntag beim Großen Preis von Österreich, als er zeigte, was es bedeutet, wenn er in den Kampfmodus umschaltet: Er schlüpfte an Sergio Pérez vorbei und jagte keinen Geringeren als Lewis Hamilton über die Strecke, überholte ihn von außen in Kurve 4 – da schnitt ihn der sechsfache Weltmeiste­r, schickte ihn postwenden­d in den Kies und kassierte eine 5-Sekunden-Zeitstrafe. Was ein schwacher Trost für Alex Albon war.

„Mich hat diese Aktion von Lewis total überrumpel­t“, sagt er. „Ich hatte das Überholman­över geistig bereits abgeschlos­sen und war in Gedanken schon dabei, mir Bottas in der nächsten Runde zu holen.“Was den Sieg bedeutet hätte. Genauso ein besch***enes Gefühl wie damals in Brasilien?

„Na ja, wie soll ich’s sagen. In Brasilien waren wir beide vielleicht 50:50 für den Vorfall verantwort­lich.“

Sehr freundlich ausgedrück­t. „Diesmal war das nicht so.“

Das riecht nach Revanche für dieses Wochenende beim Großen Preis der Steiermark. „Wir haben ein sehr gutes Auto“, sagt Albon. „Und ich weiß, was ich tun will: meine Ellbogen ausfahren und ein bisschen für Aufregung sorgen.“

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 ??  ?? Auf dem heißen Stuhl: In einer großartige­n Rookie-Saison fühlte sich Alex Albon im Toro Rosso endlich F1-firm, als ihn der Anruf von Red Bull Racing erreichte …
Auf dem heißen Stuhl: In einer großartige­n Rookie-Saison fühlte sich Alex Albon im Toro Rosso endlich F1-firm, als ihn der Anruf von Red Bull Racing erreichte …
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Die beherzten Überholman­över des britischth­ailändisch­en Piloten sorgten 2019 für Aufmerksam­keit. Vor allem, als er nach einem Neustart beim GP von Brasilien am viermalige­n Weltmeiste­r Sebastian Vettel vorbeizog.

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