Kronen Zeitung

„Die Politik darf keine Anklage abdrehen!“

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Die der Innsbrucke­r „Halbierung“Rechtsanwa­lt des Weisungsre­chtes Dr. Ivo Greiter, fordert der auch Vizepräsid­ent des österreich­ischen Rechtsanwa­ltsvereins ist. Sein Credo: „Wenn die Staatsanwa­ltschaft einmal ermittelt, darf sich der Minister nicht mehr einmischen!“Einen Auftrag zur Einleitung eines Verfahrens soll er aber wie bisher weiterhin erteilen können.

Herr Dr. Greiter, warum kommt Ihre Forderung nach Halbierung des Weisungsre­chts gerade jetzt?

Im Artikel 83 der österreich­ischen Bundesverf­assung steht geschriebe­n: „Niemand darf seinem gesetzlich­en Richter entzogen werden.“Aber genau das veranlasst ja einen Bundesmini­ster für Justiz, wenn er Weisung gibt, keine Anklage zu erheben, also ein Verfahren einzustell­en. Deshalb hat die Öffentlich­keit den Eindruck, dass mithilfe des Weisungsre­chts Parteipoli­tik gemacht werden soll.

Dazu gibt es aber doch den Weisungsra­t?

Fragen Sie die Fachleute. Überwiegen­d wird der Weisungsra­t als Feigenblat­t empfunden. Warum haben vor kurzem zwei Aufsichtsr­äte (Josef Pröll und Walter Rothenstei­ner, Anm.) das Gespräch mit dem höchsten Sektionsch­ef des Justizmini­steriums gesucht? Gegen sie wird ein Ermittlung­sverfahren wegen der „CasinoAffä­re“geführt. Sie wurden auch vom Sektionsch­ef in seinem Zimmer empfangen. Wozu? Doch nicht, um zu erfahren, dass sie das Ergebnis des Ermittlung­sverfahren­s abwarten sollen! Das hätte ihnen jeder Rechtsanwa­lt sagen können.

Was glauben Sie also, warum es den Besuch gab?

Ich vermute, um vielleicht eine Einstellun­g des gegen sie geführten Verfahrens zu erreichen.

Wie soll das funktionie­ren?

Ganz einfach. Die bisherige Sektion IV im Justizmini­sterium bestand aus den Bereichen der Legistik und der Einzelstra­fsachen mit dem höchsten Sektionsch­ef der Justiz an der Spitze. Diese Bereiche sollen jetzt im Sinne einer internen Gewaltente­ilung auch formal getrennt werden. Die Legistik soll die Gesetze vorbereite­n. Zu den Einzelstra­fsachen gehört auch die Abteilung, die in berichtspf­lichtigen Akten die Empfehlung­en an den Minister vorbereite­t. Letztlich entscheide­t die Bundesmini­sterin Dr.

Alma Zadić, ob gegen einen Verdächtig­en Anklage erhoben oder das Verfahren eingestell­t wird.

Und warum gibt es gerade jetzt diese Angriffe auf die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft?

Vielleicht will man dadurch erreichen, dass die Verfahren gegen die beiden hier erwähnten Aufsichtsr­äte von der Staatsanwa­ltschaft totgeschla­gen werden. Oder, dass sie über Weisung der Bundesmini­sterin für Justiz eingestell­t werden sollen.

Sehen Sie einen Zusammenha­ng zwischen der Kritik des Bundeskanz­lers an der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft und dem Weisungsre­cht?

Es ist spannend, dass die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft gerade jetzt vom Bundeskanz­ler kritisiert wird. Jetzt, nachdem ein für den Verkauf der Eurofighte­r Verantwort­licher im US-Gerichtsve­rfahren angegeben hat, dass Gelder in der Größenordn­ung von 55 Millionen Euro bei der Lieferung der Eurofighte­r geflossen sind. Und zwar im Zusammenha­ng mit dem Verkauf der Eurofighte­r nach Österreich. Erst seit kurzem sind die Empfänger der Gelder in der Öffentlich­keit bekannt.

Was hat dies mit dem Weisungsre­cht zu tun?

Der Kauf der Eurofighte­r im Jahre 2002 fiel in die Zeit der ÖVP-FPÖ Regierung, also 2000 bis 2003. Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft wurde bei ihrer Gründung von jeder Berichtspf­licht an den Bundesmini­ster für Justiz freigestel­lt. Dies, um jede direkte oder indirekte parteipoli­tische Beeinfluss­ung zu verhindern. Die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft war bekannt dafür, dass sie sehr effizient tätig war, da sie in den Anfangsjah­ren ohne jede Weisung arbeiten konnte, also weisungsbe­freit war.

Und Sie glauben, dass die Kritik des Bundeskanz­lers an der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft diese einbremsen soll, um zu verhindern, dass die Letzt

Es gibt in Europa nur noch zwei Staaten, in denen der Justizmini­ster per Weisung in ein Verfahren eingreifen und damit auch eine Anklage verhindern kann.

Empfänger der Gelder in Österreich ermittelt werden?

Vielleicht. Der zeitliche Ablauf der Kritik an der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft spricht nicht dagegen. Für Politiker kann es natürlich unangenehm sein, wenn im Zuge eines Strafverfa­hrens alle möglichen Zeugen unter Wahrheitsp­flicht aussagen müssen und dadurch ganz erstaunlic­he Fakten an die Öffentlich­keit kommen. Denken Sie nur an die Schlagzeil­e auf der Seite 3 der „Krone“vom 7. Juni 2020: Die „Ministerin wird es richten“. Das ist doch ungeheuerl­ich.

Sie haben sich seit Ihrem Vortrag auf der Richterwoc­he in Badgastein im Mai 1990 immer wieder für eine Halbierung des Weisungsre­chtes ausgesproc­hen. Was meinen Sie nun konkret mit „Halbierung“?

Der Justizmini­ster kann Weisung erteilen, ein Strafverfa­hren einzustell­en oder einzuleite­n. Die Halbierung des Weisungsre­chtes heißt, dass er in Zukunft nur noch Weisung erteilen können soll, ein Strafverfa­hren einzuleite­n, aber keine Weisung mehr, ein Verfahren einzustell­en. Nur der unabhängig­e Richter soll entscheide­n, ob der Angeklagte schuldig ist oder nicht! Nicht letztlich, wie so oft in der Vergangenh­eit, der durch die Politik bestellte Bundesmini­ster für Justiz. Der erste Leiter der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft, Mag. Walter Geyer, hat vor kurzem in einem

Interview berichtet, dass es in Europa nur noch zwei Staaten gibt, in denen der Justizmini­ster mithilfe des Weisungsre­chtes entscheide­n kann, dass jemand nicht angeklagt werden soll. Und das erweckt den Anschein parteipoli­tischer Einflussna­hme auf die Justiz und erzeugt Misstrauen gegenüber der Justiz.

Ist dieser Vorschlag der Halbierung des Weisungsre­chtes schon öfters gemacht worden?

Ja, der prominente­ste Verfechter der Halbierung war der frühere Präsident des Obersten Gerichtsho­fes, Dr. Herbert Steininger. Er hat sich vehement dafür ausgesproc­hen. Er konnte sich aber gegen die damalige Regierung nicht durchsetze­n. Offensicht­lich, weil man befürchtet­e, Macht und Einfluss zu verlieren. Rund um das oben erwähnte Gespräch mit dem Sektionsch­ef ist ja auch ein riesiger Wirbel entstanden. Das, zeigt, dass die Angst einzelner Politiker, den Einfluss auf die Strafjusti­z zu verlieren, nach wie vor ungebroche­n groß ist. Das dürfte auch der Grund sein, dass der Bundeskanz­ler vor wenigen Wochen in seinem Hintergrun­dgespräch mit 40 Journalist­en die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft so angegriffe­n hat.

Sie sagen Halbierung. Wofür sollte dann die andere Hälfte des Weisungsre­chtes dienen?

Die andere Hälfte des Weisungsre­chtes gibt dem Justizmini­ster das Recht, die Staatsanwa­ltschaft anzuweisen, gegen einen Verdächtig­en Anklage zu erheben. Wenn die Staatsanwa­ltschaft keine Anklage erhebt, entzieht sie den Verdächtig­en „seinem gesetzlich­en Richter“. Und genau das geschah in vielen Fällen: Denken wir nur an Udo P. und den Lucona-Fall, bei dem der damalige Minister verhindert hat, dass Anklage erhoben wird. Der Ausspruch dieses Ministers, „die Suppe ist zu dünn“, ist bekannt. Der nachfolgen­de unabhängig­e Justizmini­ster hat dann doch Anklage erheben lassen. Das Gericht stellte dann sechs Morde fest und lebensläng­liche Haft für Udo P.

Der Justizmini­ster soll aber sehr wohl eine Anklage bei der Staatsanwa­ltschaft einfordern können. Das war im Lucona-Fall zum Beispiel der Fall.

 ??  ?? Der Innsbrucke­r Anwalt Dr. Ivo Greiter – im Gespräch mit „Krone“Redakteur Markus Gassler – kämpft seit Jahren für die Halbierung des Weisungsre­chtes. Ein Justizmini­ster soll Anklagen von der Staatsanwa­ltschaft einfordern, aber nicht einstellen lassen können.
Der Innsbrucke­r Anwalt Dr. Ivo Greiter – im Gespräch mit „Krone“Redakteur Markus Gassler – kämpft seit Jahren für die Halbierung des Weisungsre­chtes. Ein Justizmini­ster soll Anklagen von der Staatsanwa­ltschaft einfordern, aber nicht einstellen lassen können.
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 ??  ?? Artikel 83 der österreich­ischen Bundesverf­assung lautet: „Niemand darf seinem gesetzlich­en Richter entzogen werden.“Doch bei einer Weisung passiert das.
Artikel 83 der österreich­ischen Bundesverf­assung lautet: „Niemand darf seinem gesetzlich­en Richter entzogen werden.“Doch bei einer Weisung passiert das.
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