Kronen Zeitung

Die Wahnsinnst­at eines Biedermann­s

-

Florian H. galt in seinem Heimatort Kronstorf immer als besonders besonnen und nett. Bis er im vergangene­n April seine Mutter tötete. Scheinbar grundlos – wie Tonbandmit­schnitte von dem Verbrechen belegen. Nun wurde das Seelenlebe­n des 46-Jährigen analysiert.

Alles wirkt so friedlich, auf diesem Anwesen im oberösterr­eichischen Kronstorf. Die Fenster des gelbgestri­chenen Gutshofs sind blank geputzt; im Garten dreht ein Rasenrobot­er Runden. Das Grundstück wirkt also, als hätten es seine Besitzer nur kurz zum Einkaufen verlassen. Um dann bald wieder zurückzuke­hren, in die Idylle.

Ein „unvorherse­hbares Verbrechen“

Aber niemand wohnt mehr in dem Gebäude. Seit der Tragödie, die hier in der Nacht auf den 25. April geschehen ist. Als Florian H. (46) dort, in der Küche, seine 81-jährige Mutter Hilde erschossen hat.

Die grauenhaft­e Tat, erklären Nachbarn und Bekannte der beiden bis heute, sei „absolut nicht vorhersehb­ar“gewesen. Die Frau, „schon, sie war ein bisschen herrschsüc­htig“, habe den

Sohn, ihr einziges Kind, nie für die harte Arbeit, die er von Jugend an auf dem Hof verrichtet­e, gelobt, „noch weniger nach dem Tod des Vaters vor knapp zwei Jahrzehnte­n“; und sie hätte ihren „Buben“ständig wegen seiner „Unfähigkei­t“, eine Partnerin zu finden, kritisiert.

Florian H.s Reaktion auf die Vorwürfe? „Sie schienen an ihm abzupralle­n.“

Als ruhig, freundlich, hilfsberei­t wird der Bauer, der nebenbei an einer Landwirtsc­haftsschul­e unterricht­ete, charakteri­siert. Und sonst? „Er führte ein eher beschaulic­hes Dasein. Ging mitunter mit Freunden zum Biertrinke­n in ein Wirtshaus“, verhielt sich dabei nett, angepasst: „Er wirkte zufrieden.“

„Vor langer Zeit hatte ich einmal eine Freundin“

Dass der Oberösterr­eicher todunglück­lich gewesen, dass es ihm immens schwer gefallen sein muss, vor der Außenwelt den „Schein“zu wahren; nicht zu zeigen, wie dramatisch sein seelischer Zustand war – wird jetzt durch ein Gutachten, das Gerichtsps­ychiaterin Heidi Kastner über ihn verfasst hat, offenkundi­g.

Die Sachverstä­ndige beschreibt den Täter als einen Menschen, der von seinen Eltern stets zu extremen Leistungen angehalten worden sei und von ihnen „kaum emotionale Fürsorge“bekommen habe. Was er jedoch nicht als „wirklich schlimm“empfunden hätte, „da er ja daran gewöhnt war“. Sein Verhältnis zu Frauen: problemati­sch. „Vor langer Zeit“, erzählte er Kastner, „hatte ich einmal eine Freundin.“

Und danach? „Wollte ich mich nicht mehr binden. Weil ja viele Ehen arg enden.“Vielleicht spürte er jedoch auch, dass er der Verantwort­ung, die eine fixe Beziehung bedeutet hätte, nicht gewachsen gewesen wäre.

Es begann mit Depression­en, ab etwa 2003 fühlte er eine tiefe Traurigkei­t in sich, und es gelang ihm laufend weniger, den Alltag zu bewältigen. 2006 sein erster „Schub“, er war von der irrealen Idee besessen, Medien würden bald „böse Dinge“über ihn berichten.

„Eigentlich wollte ich nackt zu Google fliegen“

Heimlich – lediglich sein bester Freund und die Mutter wussten davon – suchte er schließlic­h eine Psychiater­in auf, sie stellte ihm die Diagnose paranoide Schizophre­nie, verschrieb ihm Medikament­e. Nahm er sie ein, „funktionie­rte“er. Nahm er sie nicht, bekam er neuerlich Wahnvorste­llungen.

In der Woche vor seinem Verbrechen geschah es abermals; er setzte die Pillen ab, und wieder begannen sich absurde Gedanken in ihm zu manifestie­ren. Etwa darüber, dringend mit Google in Kontakt treten zu müssen.

Am Abend des 24. April setzte er sich – während des Corona-Lockdowns – „spontan“, ohne Gepäck und Reisepass, in seinen Volvo, um zum Airport Salzburg zu fahren und dort, so sein Plan, eine Maschine nach Amerika zu besteigen. Auf halbem Weg ging ihm das Benzin aus, er parkte auf einem Pannenstre­ifen der A1, entledigte sich seiner Kleidung: „Gott sprach zu mir, er meinte, ich solle nackt in den Himmel – zu Google – fliegen.“

Zuletzt täuschte er auch noch einen Amtsarzt

Die Autobahnpo­lizei griff ihn auf, er wurde von einem Amtsarzt untersucht. Wie schon so oft davor, brachte Florian H. es selbst vor dem Mediziner zustande, einen unauffälli­gen Eindruck zu vermitteln, von einer Krankenhau­s-Einweisung wurde deshalb abgesehen.

Sein bester Freund holte ihn letztlich von der Behörde ab, während der Heimfahrt versuchte er, den 46-Jähri

gen dazu zu überreden, sich – wieder einmal – in die psychiatri­sche Abteilung einer Klinik zu begeben. Doch der Kronstorfe­r verweigert­e das.

Am Gutshof angekommen, wurde er von seiner Mutter in Empfang genommen. Sie hätte sich fürchterli­che Sorgen um ihn gemacht, sagte sie, und dass sie bereits von seiner seltsamen Aktion erfahren habe.

Das Tonbandpro­tokoll: kein Streit, zwei Schüsse

Zusammen gingen die beiden ins Haus. Laut Angaben des Täters habe es zwischen ihnen danach keinen Streit gegeben; der Entschluss, aus einem Nebenzimme­r ein Gewehr zu holen und die Frau umzubringe­n, sei „ plötzlich“in ihm entstanden.

Tonbandauf­nahmen belegen Florian H.s Behauptung­en. Kurz vor dem Drama hatte die 81-Jährige nämlich per Handy den Freund ihres Sohnes nochmals angerufen, er hob nicht ab, die Mobilbox sprang an . . .

Zurechnung­sunfähig – und „sehr gefährlich“

Heidi Kastners Diagnose über Florian H.? Seine Tat wäre zwar nicht aufgrund von Wahnvorste­llungen geschehen, aber „im weitesten Sinn als psychotisc­h animiert“zu beurteilen. Der Mann gilt damit als zurechnung­sunfähig, die Gutachteri­n empfiehlt seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her, für unbestimmt­e Zeit. Seine Zukunftspr­ognose: negativ.

Wegen seines großen „Talents“, seinen geistigen Zustand vor anderen perfekt zu kaschieren, und der „gänzlich fehlenden Hemmungen, die er bei seinem Delikt aufwies“, bestehe nämlich die Gefahr, dass er abermals „unvorherse­hbar“schwere Verbrechen begehen könnte.

Er gilt als ein „angepasste­r“Häftling

Florian H. ist nun in der Justizanst­alt Wels untergebra­cht. Er gilt dort als ein besonders höflicher und angepasste­r Häftling.

Sein Gutshof wird – auf sein Ersuchen hin – mittlerwei­le von seinem engsten Vertrauten gepflegt.

Denn „Ordnung“zu demonstrie­ren sei ihm eben sehr wichtig.

 ??  ??
 ??  ?? Der Täter wurde von der angesehene­n Gerichtsps­ychiaterin Heidi Kastner analysiert. Ihre Diagnose: Der 46-Jährige leidet an paranoider Schizophre­nie.
Der Täter wurde von der angesehene­n Gerichtsps­ychiaterin Heidi Kastner analysiert. Ihre Diagnose: Der 46-Jährige leidet an paranoider Schizophre­nie.
 ??  ??
 ??  ?? Der Tatort: Ein Gutshof in Oberösterr­eich. Hier hat Florian H. (46) seine 81-jährige Mutter Hilde erschossen. Freunde der beiden sagen, dass es keine Vorzeichen für das Drama gegeben hätte.
Der Tatort: Ein Gutshof in Oberösterr­eich. Hier hat Florian H. (46) seine 81-jährige Mutter Hilde erschossen. Freunde der beiden sagen, dass es keine Vorzeichen für das Drama gegeben hätte.
 ??  ?? Florian H. wird von dem renommiert­en Linzer Anwalt Andreas Mauhart verteidigt. „Mein Klient bekommt nun starke Medikament­e gegen seine Krankheit. Er begreift daher mittlerwei­le die Tragweite seines Handelns – und bereut seine Tat zutiefst.“
Florian H. wird von dem renommiert­en Linzer Anwalt Andreas Mauhart verteidigt. „Mein Klient bekommt nun starke Medikament­e gegen seine Krankheit. Er begreift daher mittlerwei­le die Tragweite seines Handelns – und bereut seine Tat zutiefst.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria