Kronen Zeitung

Das große Schweigen

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Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen wird heute die Festspiels­tadt Salzburg verlassen, ohne eine längere Rede gehalten zu haben. Dieser traditione­lle Programmpu­nkt wurde dem Corona-Protokoll geopfert. Das ist schade. Es gäbe einiges zu sagen.

Die beste Festspielr­ede wurde aber vielleicht schon gehalten. Vor 30 Jahren, im Sommer nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Mauer, im Juli 1990, sprach der damalige tschechisc­he Präsident Václav Havel über die „Angst vor der Wahrheit“. Er ermunterte dazu, dass wir uns aufrecht, ruhig und gespannt selbst ins Gesicht schauen sollten. Havel sagte, dass wir „Gefangene sind, die sich an das Gefängnis gewöhnt haben und, aus heiterem Himmel in die Freiheit entlassen, nicht wissen, wie wir damit umgehen sollen“.

Das war freilich auf eine andere Zeit gemünzt, die der Überwindun­g des Kalten Krieges und den Weg Osteuropas in die Demokratie. Aber sind wir heute nicht erneut an einem kritischen Punkt angelangt? Einiges deutet darauf hin, dass wir uns in die falsche Richtung bewegen: den langen Weg retour.

Wäre es nun nicht wieder an der Zeit für eine große politische Rede zur besseren Orientieru­ng? Stattdesse­n herrscht das große Schweigen. Zu hören gibt es dafür fast täglich albernes Geschwätz zu Babyelefan­ten und verwirrend­e Erklärunge­n zu virusbedin­gten Verordnung­en.

Dadurch ist ein Vakuum entstanden, das Raum für Verschwöru­ngstheoret­iker, Wirrköpfe und Populisten aller Art schafft.

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