Kronen Zeitung

Britischer Anachronis­mus

- Christian.hauenstein@kronenzeit­ung.at

In Großbritan­nien gehen zurzeit gerade die Wogen hoch, weil Premier Boris Johnson eine Liste vorgelegt hat, auf der sich die Namen von 36 Parteifreu­nden finden, die er in das House of Lords, das Oberhaus des britischen Parlaments, berufen lassen möchte. Selbstrede­nd sind die meisten von ihnen linientreu­e Brexitfans. Jedoch nicht alle. Denn auf der Liste befindet sich – wie berichtet – auch Jo Johnson, der Bruder des Regierungs­chefs, der im Juni 2019 seinen Ministerpo­sten zurückgele­gt hat, weil er den Brexit-Kurs der Regierung nicht länger mitverantw­orten wollte. Zur Belohnung für seine Verdienste soll er nun also ins House of Lords einziehen – ein Schelm, wer da an Protektion durch seinen Bruder denkt.

Die Anzahl der Lords würde durch die Bestellung der neuen Mitglieder durch Königin Elisabeth II. auf mehr als 830 ansteigen. Dazu meint sogar der Sprecher des Oberhauses, Lord Norman Fowler: „Das ist lächerlich, weil es viel zu viele für unsere Aufgaben sind.“

Aber die Aufgaben der Lords, etwa das Überprüfen von Gesetzen, die das Unterhaus beschlosse­n hat, sind in diesem Zusammenha­ng wohl zweitrangi­g. Es ist vielmehr eine Ehre, diesem Gentlemen-Debattierc­lub anzugehöre­n. Und eine Absicherun­g auf Lebenszeit, denn – einmal bestellt – bleibt man bis zum Tod ein Lord. Und so sind die meisten Lords deutlich über 70 Jahre alt.

Ein britischer Anachronis­mus. Aber das gilt wohl auch für das Königshaus. Und das möchte ja auch keiner abschaffen.

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