Fliegen baden im Blut der Mörder
100. Salzburger Festspiele: „Elektra“, Franz Welser-Möst, Krysztof Warlikowski
Taktieren hat gesiegt: Trotz heikler Covid-Vorschriften konnten die 100. Salzburger Festspiele dank zäher Strategie von Präsidentin Helga Rabl-Stadler und Intendant Markus Hinterhäuser Samstag eröffnet werden. Ein eindrucksvoller, bejubelter Start mit Strauss’ „Elektra“in Glanzbesetzung unter Franz Welser-Möst.
Sie sind eine verschworene Gemeinschaft: die hervorragend disponierten Wiener Philharmoniker, Franz Welser-Möst am Pult und diese exklusive „Elektra“Besetzung. Welser-Möst führt die „Wiener“auf eine Gratwanderung zwischen dröhnenden Entladungen in einem wahren Klangrausch und hochsensibler analytischer Detailzeichnung, die er mit berührenden Momenten voll Schönheit kontrastiert. Und wie schon seine Salzburger „Salome“gelingt Welser-Möst in der schlüssigen Klangdramaturgie großes musikalisches Welttheater.
Die Besetzung folgt dem Konzept mit Perfektion: Eindrucksvoll das Debüt Ausrine Stundytes als wilde Elektra. Eine von Todessehnsucht besessene Furie mit strahlendem Sopran, die auch die lyrischen Momente mit Intensität trifft. Krank, verwüstet und – wie Hofmannsthal sie sagen lässt – „zerfressen von den Motten“ist Tanja Ariane Baumgartners Klytämnestra. Brillant in ihrer großen Auseinandersetzung mit Elektra: „Ich habe keine guten Nächte.“
Stimmlich Stundyte zu ähnlich ist die wunderbare Asmik Grigorian als Chrysothemis, die sich nach Familie, Kindern und „Weiblichkeit“sehnt und von Elektra brutal zurückgestoßen wird. Kraftvoll leuchtend, ja heroisch singt Derek Welton den Rächer Orest, glatt und schmierig Michael Laurenz den Ägisth. Ausgezeichnet die Mägde und der Staatsopernchor.
Krzysztof Warlikowski, in Salzburg nach seinem Debüt mit Henzes „Bassariden“2018 geschätzt, baute in die Felsenreitschule mit seiner Ausstatterin Małgorzata Szczęśniak das heruntergekommene Mykenä. Die verkleideten Arkaden der Felsenreitschule dienen als Projektionsflächen für gewaltige Blutspritzer nach der Ermordung Klytämnestras und ihres Geliebten Ägisth. Das Blut wird von einem gewaltigen Fliegenschwarm – den Erinyen – weggefressen: Der Muttermörder Orest verfällt den Rachegöttinnen.
Im mit Stahlwänden ausgekleideten Raum – mit Duschen – steht ein gläserner lila Kubus, in dem Mykenäs Mördergesellschaft ihrem Ende entgegenwankt. Unverständlich nur, warum Warlikowski einen Prolog voranstellt. Glaubt er, dass man die Geschichte nicht versteht?