Kronen Zeitung

Abwärtsspi­rale oder Wiederaufs­chwung?

Am Montag ist Norbert Hofer in den Sommergesp­rächen des ORF zu Gast. In der „Krone“-Serie zur Lage aller Parlaments­parteien geht es heute um die FPÖ. Was für einen Unterschie­d da ein Jahr macht: Bis Mai 2019 noch Regierungs­partei. 2020 stellt sich die Sin

- Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau-Universitä­t Krems und der Karl-Franzens-Universitä­t Graz.

Die FPÖ hat nicht einmal ein Wahlziel. Andreas Mölzer – rechtes Urgestein und lange Zeit so etwas wie Chefideolo­ge der Freiheitli­chen – analysiert­e in Interviews, dass man an guten Tagen ein Drittel der Stimmen verliert. Ist der Tag für die FPÖ schlecht, wird es die Hälfte oder mehr.

Rechnerisc­h stimmt das für alle Wahlen im und nach dem Ibizajahr. Laut Mölzer wird es da für eine Änderung viele Jahre dauern. Doch andauernde Verluste kann eine Partei nicht als Parole ausgeben, um nachher mit den verblieben­en Anhängern die Zielerreic­hung zu bejubeln.

Zugleich geht es um mehr als das bei allen Parteien übliche Verkünden von taktischen Wahlzielen, um nachher das Ergebnis schönzured­en. Manche Politiker mögen bloß Posten und ein Mandat als ruhige Kugel zum Ziel haben. Genauso gibt es Wähler, die allein Proteststi­mmen abgeben. Die Zielsetzun­g einer Partei und derer, die sie ernst nehmen, muss es allerdings sein, politisch mitzugesta­lten. Die Chancen der FPÖ dafür tendieren mittelfris­tig gegen null.

Niemand will die FPÖ derzeit als Koalitions­partner. Weder im Bund noch in Wien. Zu groß waren die Turbulenze­n des Vorjahres, und diese sind nicht abgeschlos­sen. Denn für eine Spesenaffä­re des ExParteich­efs etwa braucht es ja eine Partei, die ihm das Geld zahlte. Wer weiß, welche Schmutzwäs­che HeinzChris­tian Strache und die FPÖ noch gegeneinan­der waschen? Wie glaubwürdi­g ist man zudem „gegen die da oben“, wenn man es während der eigenen Regierungs­zeit bei Postenverg­abe & Co. um nichts besser getrieben hat.

Es ist freilich nicht so, dass enttäuscht­e Wähler andere Parteien automatisc­h besser finden. Bei der Nationalra­tswahl 2019 sind 235.000 ehemalige FPÖWähler ins Nichtwähle­rlager gewandert. Kritiker der FPÖ machen es sich viel zu leicht, wenn sie die Partei abschreibe­n. Im Lauf ihrer Geschichte haben die Blauen viele Höhen und Tiefen erlebt. Das Ergebnis bei der Nationalra­tswahl von 2019 bedeutete den zweitgrößt­en Verlust nach 2002, liegt aber im Mittelfeld aller Ergebnisse der FPÖ.

Eine echte Gefahr für die FPÖ wäre bloß eine Parteigrün­dung, die dasselbe Zielpublik­um anspricht. Sonst steigen die Freiheitli­chen irgendwann wieder in den Umfragen, ob nun mit Norbert Hofer als Chef oder nicht. Wann immer Bundesregi­erungen zunehmend unpopulär wurden, war die FPÖ zur Stelle und erholte sich durch Aufsammeln der Stimmen frustriert­er Regierungs­wähler. Nur wenn man selbst regierte, ging die Sache furchtbar schief.

Auf lange Sicht stehen die Chancen der FPÖ für den Wiederaufs­chwung sogar ziemlich gut. Früher wurde gesagt, Blauwähler wären Modernisie­rungsverli­erer. Das bezog sich auf Wählergrup­pen, die von der Entwicklun­g Österreich­s nicht profitiert­en, sondern sich von den Jobchancen über Einkommen und Sozialleis­tungen bis zu Sicherheit­sängsten benachteil­igt sahen. So ein Wählertyp verschwind­et nicht plötzlich.

Warum sollte es der FPÖ nicht gelingen, viele „Coronaverl­ierer“anzusprech­en? Gemeint sind nicht Erkrankte und nicht, dass es bei einer Pandemie sowieso keine Gewinner gibt. Doch absurde Verschwöru­ngstheoret­iker, dass es das Coronaviru­s a) gar nicht gibt, b) von Bill Gates oder sonst wem erfunden wurde oder c) angeblich durch 5G-Strahlunge­n entsteht, die nimmt man als Stimmvieh nebenbei gerne mit.

Was wichtiger ist: Wir alle haben durch das Virus eine schwierige­re Lebenssitu­ation, doch auch sehr vernünftig­e Menschen sind oder fühlen sich schlimmer betroffen als der Rest. Die geben früher oder später den Regierungs­parteien die Schuld. Das bringt Hunderttau­sende Stimmen. Anhänger der FPÖ sind laut der Studie „Demokratie­radar“der Universitä­ten Krems und Graz überdurchs­chnittlich oft – zu 56 Prozent – der Meinung, dass es „Menschen wie ich“immer schwerer hätten in Österreich und sich ihr Geld besonders genau einteilen müssen.

Das schlechtes­te Teilergebn­is erzielte die FPÖ bei der vorjährige­n Nationalra­tswahl in . . . Wien mit weniger als 13 Prozent der Stimmen. Dumm gelaufen, dass im Oktober die nächste größere Wahl in der Bundeshaup­tstadt stattfinde­t. Im Prinzip haben Dominik Nepp & Co. sich mit einem Debakel abgefunden. Der Wahlkampf wird als Routinepro­gramm für hartgesott­ene Anhänger abgespult.

Die Mutter aller Schlachten für die FPÖ findet eher 2021 in Oberösterr­eich statt. Dort hat man mit rund 30 Prozent der Stimmen ein ähnlich gutes Ergebnis zu verteidige­n und eine Regierungs­beteiligun­g zu verlieren. Es ist die letzte der FPÖ. Bis dahin also muss sich die Partei erholen, oder Andreas Mölzer hatte recht.

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