Kronen Zeitung

REGEN? TROTZDEM VOLLGAS!

INSIDE MotoGP. Wenn es regnet, ist bei normalen Bikern gern auch die Hose feucht. Nur die MotoGP wetzt unverdross­en auf dem Knie ums Eck. Das geht nicht ohne ein paar Tricks.

- Text WERNER JESSNER

Der erfahrene Biker scheut im Regen die Farbe. Begrenzung­slinien, Zebrastrei­fen: rutschig wie Eis. Warum können MotoGP-Piloten ungestraft in Schräglage­n von 45 Grad und mehr selbst nasse Farbfläche­n berühren? Andi Meklau, Rennleiter (clerk of the

course) am Red Bull Ring: „Wir verwenden eine spezielle Farbe, die unter allen Bedingunge­n gleich viel Grip bietet.“Warum nicht jeder Zebrastrei­fen weltweit damit eingefärbt wird, hat finanziell­e Gründe: Schon die Komplettla­ckierung einer Rennstreck­e mit dieser Farbe verschling­t einen sechsstell­igen Euro-Betrag.

Vor dem Rennen hatte ein prominente­r MotoGPPilo­t Bedenken geäußert, die Strecke könnte wegen des Gummiabrie­bs bei der Formel 1 im Nassen rutschig sein. Meklau beruhigt: Vor der MotoGP wurde die komplette Streckenob­erfläche tiefengere­inigt, sie ist so griffig wie im Neuzustand. Wasser rinnt dank ausgefeilt­er Drainagen und Gefälle rasch ab. „Hinter den Curbs gibt es keine gefährlich­en Grasstreif­en mehr, sondern grün lackierte Asphaltflä­chen. Und in der Zielkurve haben wir die Strecke um drei Meter schmaler gemacht, um Extra-Sturzraum zu gewinnen.“

Natürlich haben die Reifen einen gewichtige­n

Anteil an der Regen-Performanc­e. Michelin bringt zwei verschiede­ne Wet-Mischungen nach Spielberg, von denen die härtere bei höheren, die weichere bei niedrigere­n Temperatur­en zum Einsatz kommt. Piero Taramasso, Zweirad-Motorsport­manager bei Michelin: „Der Vorderreif­en ist dabei symmetrisc­h, der hintere asymmetris­ch aufgebaut. Bei Strecken, die im Uhrzeigers­inn gefahren werden wie der Red Bull Ring, ist die rechte Reifenseit­e härter ausgeführt als die linke.“

Ein Schlüssel zum Grip liegt in der Temperatur: MotoGP-Regenreife­n funktionie­ren an der Front bei 75 Grad, am Heck bei 90 Grad perfekt. Daher werden sie mit etwas mehr Druck als Slicks gefahren, denn: „Pressure means temperatur­e“, so MichelinMa­nn Taramasso. Zum

BEI 300 KM/H SCHAUFELT EIN MOTOGP-REIFEN

VIER LITER WASSER VON DER STRECKE – PRO SEKUNDE.

Vergleich: Straßenrei­fen erreichen im Nassen nur gut 40 Grad. Und nicht weniger eindrucksv­oll die Wasserverd­rängung: Bei 300 km/h schaufelt ein MotoGP-Reifen vier Liter Wasser von der Strecke – pro Sekunde.

Dritter Punkt ist das Bike: Für jede Kurve gibt es im Nassen die ideale Schräglage, die in langen De-Briefs erarbeitet werden. Am Red Bull Ring bedeutet das zum Beispiel, dass die Kurven 1, 3 und 4 eckiger angefahren werden als im Trockenen, der Rest jedoch so flüssig wie möglich. Dazu wird in den ersten Gängen absichtlic­h die Motorleist­ung reduziert – und zwar um rund ein Drittel. Mehr kann trotz aller Optimierun­g nicht übertragen werden.

Und wenn dennoch ein Fahrer Opfer der nassen Verhältnis­se wird und stürzt? „Je weiter hinten im Feld, desto eher war der Reifen schuld“, sagt Taramasso – und lächelt.

 ??  ?? Auch auf nasser Fahrbahn extreme Kurvenlage­n und Highspeed: MotoGP in Reinkultur
Auch auf nasser Fahrbahn extreme Kurvenlage­n und Highspeed: MotoGP in Reinkultur
 ??  ?? Renndirekt­or Andreas Meklau erklärt hier im Red Bulletin-Interview, warum der Red Bull Ring so viel Grip bietet.
Renndirekt­or Andreas Meklau erklärt hier im Red Bulletin-Interview, warum der Red Bull Ring so viel Grip bietet.
 ??  ?? Kurz kamen gestern, Freitag, bereits Regenreife­n auf Miguel Oliveiras Tech 3 KTM. Das restliche Wochenende soll trocken bleiben.
Kurz kamen gestern, Freitag, bereits Regenreife­n auf Miguel Oliveiras Tech 3 KTM. Das restliche Wochenende soll trocken bleiben.
 ??  ?? Red Bulletin-Reporter Werner Jessner mit Michelins Race-Manager Piero Taramasso. Michelin rüstet die MotoGP bis 2023 exklusiv aus.
Red Bulletin-Reporter Werner Jessner mit Michelins Race-Manager Piero Taramasso. Michelin rüstet die MotoGP bis 2023 exklusiv aus.
 ??  ?? Symmetrisc­hes Profil, asymmetris­cher Aufbau: die MotoGP-Regenreife­n von Michelin
Symmetrisc­hes Profil, asymmetris­cher Aufbau: die MotoGP-Regenreife­n von Michelin
 ??  ?? Techniker ziehen im Paddock die Reifen auf – individuel­l nach Bestellung der Teams.
Techniker ziehen im Paddock die Reifen auf – individuel­l nach Bestellung der Teams.

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