Johannes Paul II., König von Polen
Wie sich Streik in Danzig zusammenbraute Warum Polens KP-Regime nicht eingriff Warum die Sowjets nicht einmarschiert sind
Der Papst ist ein Pole, der israelische Regierungschef ist ein Pole, der US-Außenminister ist ein Pole, der US-Sicherheitsberater ist ein Pole. Es wird Zeit, dass auch in Polen die Polen zum Zug kommen.
Scherz auf der streikenden Danziger Leninwerft
„KRONE“-REDAKTEUR KURT SEINITZ ALS AUGENZEUGE IN POLEN
Der Streik in Danzig 1980, der sich bald zu einem landesweiten Generalstreik ausweitete, hatte eine lange Vorgeschichte. Sie geht zurück bis 1970, als damals eine Protestdemonstration der Werftarbeiter blutig zusammengeschossen worden war.
Den wichtigsten Anstoß zum Streik von 1980 gab aber 1978 die Wahl des Polen Karol Wojtyła zum Papst und der Triumphzug durch seine Heimat 1979, zu welchem ihn das KP-Regime notgedrungen zum Staatsbesuch (!) einladen musste.
Ich konnte wie jeder Pole vor Ort beobachten, wie mickrig klein die kommunistischen, graubürokratischen Machthaber im Schatten des charismatischen Giganten untergingen. Die polnischen Bonzen waren ja zutiefst gespaltene Persönlichkeiten, zerrissen zwischen Patriotismus, Kommunismus und Loyalität zu Moskau.
Ein Stratege gegen den Kommunismus
Mit dem polnischen Papst hatte Polen schlagartig und erstmals seit der Aufteilung unter seinen Nachbarn 1795 wieder einen König. Er saß zwar in Rom, aber die Herrscher in Warschau hatten auch den letzten Rest ihrer Autorität verloren. Dies war der eigentliche Beitrag des polnischen Papstes zur generellen Zerstörung des Kommunismus.
Der Pole auf dem Stuhle Petri hob das Selbstbewusstsein jedes Polen. Seit der ersten Auslöschung Polens 1795 war das nationale Erbe in der Hand der katholischen Kirche gelegen. Mit dem
Triumphzug dieses neuen Königs durch sein Heimatland stand für mich fest: Es konnte nicht mehr lange dauern bis zur Stunde der Wahrheit. Ich begann den Countdown zu zählen.
Panzerkommunismus taugte nichts mehr
Die „Ursünde“zu ihrer eigenen Abschaffung hatte die Sowjetunion aber noch viel früher begangen, nämlich 1975 mit der Unterzeichnung der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa (KSZE, heute OSZE) in Helsinki. Mit diesem hart errungenen Dokument schufen 35 europäische Staaten plus USA und Kanada mitten im Kalten Krieg ein Regelwerk, um die Spaltung durch den Eisernen Vorhang blockübergreifend erträglicher zu machen.
Die KSZE garantierte der Sowjetunion ihren Besitzstand in Europa. Im Gegenzug war diese zu Konzessionen bereit. Die wurden später zum ultimativen Bumerang für die Sowjetunion, da sie sich an Benimmregeln gebunden hatte.
Sowjetunion schluckte Bazillus der Freiheit
In der KSZE war somit der Bazillus der Freiheit eingebaut. Sie sollte das Ende des Panzerkommunismus wie 1953 in Ostberlin, 1956 in Budapest und 1968 in Prag einläuten; auch deshalb, weil die alten Herren im Kreml nur noch eines haben wollten: ihre Ruhe. Und sie wollten keine Delegitimierung ihres Besitzstandes riskieren, den sie endlich errungen hatten.
Die Sowjetunion fing sich in eigener Falle
Darum ging es dann beim Streik in Polen fünf Jahre später. Die Machthaber in Warschau und Moskau wollten „vertragstreu“bleiben und griffen vorerst nicht ein. Als es dann doch geschah und Polens General Jaruzelski auf Drängen Moskaus am 13. Dezember 1981 das Kriegsrecht verhängte, war es schon zu spät.
Weshalb hatte sich die Kreml-Führung überhaupt auf diese KSZE-Regeln eingelassen? Ein österreichischer Diplomat damals: „Der Räuber glaubt sich seiner Beute nie sicher. Sein Ziel ist, dazu die Rechtmäßigkeit zu erlangen. Dafür ist er sogar bereit, einen hohen Preis zu zahlen.“Die KSZE war also die Schaufel, mit der sich das Sowjetimperium das eigene Grab grub.
KP-System scheiterte an der Weltwirtschaft
Zugrunde gegangen war der Sowjetkommunismus auch am Unvermögen seiner Kommandowirtschaft. Das zeichnete sich spätestens Mitte der Siebzigerjahre ab, nachdem die OPEC für die Vervielfachung des Ölpreises gesorgt hatte.
Mit Verzögerung folgte auch die Sowjetunion gegenüber den „Bruderstaaten“der neuen Lage auf dem Weltmarkt. Die Preiserhöhungen verursachten aber ein Planungschaos in dem auf Tauschhandel (!) fußenden Ostblock.
So befeuerte die Notwendigkeit, wegen teuer gewordener Energieimporte aus Russland Subventionen kürzen, ja streichen zu müssen, die Volkswut. In Polen zeichnete sich eine massive Versorgungskrise ab.
Eine prägende Erkenntnis über die Lebensunfähigkeit dieses Systems eröffnete sich mir auf dem Flohmarkt des Warschauer Stadtteils Praga. Dort wurden unter anderem ausgebrannte (!) Glühbirnen zum Spottpreis angeboten. Der Verkäufer entgegnete meiner Bemerkung, so etwas sei doch hirnrissig: „Ganz und gar nicht. Du steckst die Glühbirne ein, und wenn du unbemerkt eine funktionierende Glühbirne siehst, tauschst du sie aus.“Dieser Mann hatte also den Kommunismus („Jeder nach seinen Bedürfnissen“) schon verinnerlicht, und in Polen funktionierten immer weniger öffentliche Glühbirnen. Morgen lesen Sie: Lech Wałęsa übernimmt das Streik-Kommando.