Lang lebe der Tod
Raus „Everywoman“bei den Festspielen
Das dritte Schauspiel der heurigen Salzburger Festspiele feierte in der Szene Salzburg seine Uraufführung: „Everywoman“. Der Schweizer Regisseur Milo Rau setzt seine Prämisse radikal um: Wir müssen alle sterben. Schauspielerin Ursina Lardi wird zum Gefäß der Todesangst des Publikums. Eine Erlösung bleibt aus.
„Ist doch verrückt, was uns hier zugemutet wird. Zuerst das Leben. Dann der Tod“, platzt es aus Ursina Lardi heraus. Sie prescht in Gebiete vor, die die meisten Menschen lieber meiden, schiebt riesige Steine über die Bühne, stemmt sich gegen das Unbegreifliche: Die Last des Lebens ist die Last des Todes.
„Everywoman“erzählt auch von einer Welt, die die Hoffnung auf ein Jenseits auf dem Altar rationaler Erkenntnis geopfert hat. Regisseur Milo Rau über den Westen: „Ich denke, dass wir die erste Zivilisation sind, die glaubt, dass nach dem Tod nichts kommt.“Er bleibt seinem Vorsatz in seinem neuen Stück treu: mindestens ein Laiendarsteller!
Ein dramaturgischer Glücksfall: Rau und Lardi lernten die krebskranke Helga Bedau in einem Hospiz kennen. Sie spricht per Videoeinschaltung, tritt in einen Dialog mit der Darstellerin. „Haben Sie Angst vor dem Tod?“, fragt Lardi.
Bedau sitzt alleine an einer gedeckten Tafel, das Gesicht gezeichnet von einer Chemotherapie. „Nein. Ich versuche, nicht an ihn zu denken“, antwortet sie. Ob ihr das gelingt? In dem 80Minuten-Stück für die Zuschauer: unmöglich. Bedaus Sterben bricht herein in Theater, das viele eigentlich mit Zerstreuung verbinden. Memento mori durchdringt alles, mahnt jedermann und jederfrau, den Gedanken ans Sterben und den Tod früh in unser Leben treten zu lassen. „Wir nutzen unsere Zeit oft für Schwachsinn. Wenn das Todesglöckchen erklingt, versuchen wir schnell den Sinn des Todes zu verstehen“, sagt Rau.