Das Imperium schlägt zurück
➲ Nach dem Sieg 1980 das Kriegsrecht 1981 ➲ Letztes vergebliches Aufbäumen des Regimes ➲ General Jaruzelski unter Druck aus Moskau
Ab
August 1980 hatte Polen mit der Solidarność eine legalisierte Oppositionspartei. Doch die Wirtschaftslage verschlechterte sich weiterhin dramatisch. Die Wirtschaftspolitik hatte sich ja nicht geändert, und man wurde den Eindruck nicht los, dass das Regime dahinter steckt, um die Krise dem „Solidarność-Chaos“anzulasten und das Land reif zu machen für die Rückkehr des Imperiums.
Auch die Kremlführung wurde nun zusehends nervös wegen der Gefahr der Verbreitung des Freiheitsbazillus. Im April 1981 kam es in der Grenzstadt Brest zu einem Geheimgipfel zwischen der polnischen und sowjetischen Führung.
Dramatisches Ringen mit der Kreml-Führung
Kreml-Chefideologe und Großinquisitor des Marxismus-Leninismus Michail Suslow, will nicht länger der polnischen Ketzerei zusehen und fordert energisches Handeln. Sowjet-Verteidigungsminister General Ustinow bietet Polens neuem Parteiund Regierungschef General Jaruzelski „brüderliche (Truppen-)Hilfe“an, „um die Ordnung im Land wiederherzustellen“.
Jaruzelski winkt entschieden ab, verpflichtet sich aber schließlich zu einer „polnischen Lösung“. Er nahm zu seinem Vorbild den Militärputsch des Nationalhelden Marschall Piłsudski 1926 zur seinerzeitigen Stabilisierung des Landes. Die polnische Bevölkerung, rechnete sich Jaruzelski aus, würde einen neuen Militärputsch verstehen – sozusagen in der
„KRONE“-REDAKTEUR KURT SEINITZ ALS ZEITZEUGE IN POLEN
patriotischen Disziplin. Der General verstand den Eindruck zu erwecken, dass die Armee nur dem Wohle der Nation und nicht der Partei verpflichtet sei.
Er hatte annähernd richtig kalkuliert. Als am 13. Dezember 1981 die Panzer rollten, gab es kaum Widerstand. 3000 führende Köpfe wurden interniert, die Solidarność verboten.
Die (Kasernenhof-)Ruhe war hergestellt, doch mit der Wirtschaftslage ging es weiter
bergab. Passiver Widerstand und Emigration der klügsten Köpfe setzte ein.
Die Polen gingen wieder in den Untergrund
Die Bevölkerung organisierte in historischer Tradition wieder einmal einen „Parallel-Staat“im Untergrund – so wie sie es immer getan hatten, wenn der offizielle Staat von der Landkarte getilgt wurde (1795, 1939). Deshalb liegt ihnen auch das Revolutionäre, zuweilen
Eigenbrötlerische irgendwie im Blut (bis heute?).
Ein Solidarność-Funktionär führte mich noch während der Streiktage in die Untergrundwelt einer großen Kirche in Danzig, wo ein regelrechter Druckereibetrieb für Flugblätter eingerichtet war. Die Maschinen stammten angeblich noch aus dem Zweiten Weltkrieg. Es kann mir niemand einreden, dass das KP-Regime nichts davon wusste, aber der kirchliche Boden ist in Polen heilig.
Kriegsrecht ging vorbei, Krise blieb erhalten
Bald musste das Regime erkennen, dass es auch unter Kriegsrecht kein einziges polnisches Problem lösen kann. Im Juli 1983 wurde das Kriegsrecht aufgehoben, in der Hoffnung, das Volk doch „zurückgewinnen“zu können. Auch das misslang.