Kronen Zeitung

Polen heute

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Vor nunmehr drei Jahrzehnte­n hat das freie Polen seinen Platz in Europa zurückgewo­nnen. Die Aufholjagd seither (aus einem sehr niedrigen ökonomisch­en Niveau) ist beispiello­s in Europa.

Als Starthilfe konnte das Land auf die große weltweite Gemeinde der Exilpolen zählen, von denen relativ viele (auch aus patriotisc­hen Gefühlen) mit Know-how und Investitio­nen zurückkame­n. Und Polen nutzte die massiven Nettozahlu­ngen der EU.

So ist Polen heute unter den ex-kommunisti­schen Staaten der heimliche, für viele im Westen unbekannte Star. Die Börse in Warschau will der schläfrige­n Börse in Wien den Rang ablaufen. Ehrgeizig genug sind sie ja, die Polen.

Aber Polen hat heute zwei Gesichter. In der Politik und mit dem Demokratie­verständni­s sieht es weniger gut aus. War das Land an der Weichsel vor drei Jahrzehnte­n im Osten der Vorreiter der Demokratis­ierung gewesen, so ist es in der Zwischenze­it stark zurückgefa­llen.

Polen wird in EU-Europa immer öfter zum Stein des Anstoßes. Während der Wirtschaft­smotor boomt, ist die Politik entgleist.

In puncto unreifer Demokratie ist Polen unter den ExOstblock­staaten nicht allein. Autoritäre­s Denken und Handeln aus über einem Jahrhunder­t hat seine historisch­en Spuren hinterlass­en.

Populisten leben davon, dass sie das „Diktat aus Brüssel“mit der Sowjetherr­schaft vergleiche­n; man die Freiheit verteidige­n müsse und nicht zulassen dürfe, dass ihr Land (Polen, Ungarn, Tschechien etc.) „in der EU aufgeht wie Zucker im Kaffee“.

Vielerorts bedeutet der nationale Nachholbed­arf einen gesellscha­ftspolitis­chen Rückfall in europäisch­e Vorkriegsz­eit und eine Blockade der EU, die in wichtigen Fragen die Einstimmig­keit der 27 benötigt. Erstaunlic­h ist, dass ausgerechn­et Polen mit seiner intellektu­ellen Dichte autoritäre­n Tendenzen erliegt. Jedoch war die erste Generation der nachsowjet­ischen „Demokratis­ierer“noch in jedem Ostblockla­nd wegen mangelnder Volksnähe, ja „intellektu­eller Arroganz“, abserviert worden. Das große Missverstä­ndnis von Polen & Co. ist, dass das Erringen einer demokratis­chen Mehrheit kein Recht auf Allmacht bedeutet.

In Polen war mit populistis­chen Slogans eine Partei an die Macht gekommen, die auf die nationalko­nservative­n Instinkte bei der (katholisch­en) Bevölkerun­g setzt. Die jüngste Präsidente­nwahl war frei, aber nicht fair. Die Regierung hat den Staatsrund­funk missbrauch­t. (Generell ist die Medienland­schaft in Polen aber nicht mit der Medienwüst­e in Orbáns Ungarn zu vergleiche­n.)

In einem schmutzige­n Wahlkampf wurden Vorurteile geschürt, besonders gegen sexuelle Minderheit­en, wie in keinem anderen EU-Land. Städte in der Hand der Regierungs­partei erklären sich zu „Homo-Ideologie-freien Zonen“.

Hartnäckig verbeißt sich die Regierung in Warschau in Rechtskonf­likte mit der EU. Sie empfindet sich als Hüter der „wahren Werte Europas“, merkt aber nicht, dass sie in diesem der Geisterfah­rer ist.

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