Kronen Zeitung

ADRENALIN MARCEL HIRSCHER

Wie es sich anfühlt, mit einer MotoGP-KTM auf dem Red Bull Ring unterwegs zu sein.

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Am 9. Juli 2019 durfte ich als Nicht-Profi das MotoGP-Bike von KTM fahren, die KTM RC16. Nach dem Absteigen habe ich im Überschwan­g der Gefühle gesagt, dass es das Ärgste war, das ich jemals gemacht habe. Dazu stehe ich. Es war aber nicht das Schönste. Um ehrlich zu sein: Es war überhaupt nicht schön. Ich gebe gerne zu, dass ich überforder­t war, und das ist auch kein Wunder. Jeder kann sich das selbst ausrechnen: In der MotoGP kommen auf ein Kilo Gewicht von Fahrer plus Bike rund zwei PS. Ein Supersport­wagen wie der Audi R8 wiegt inklusive Fahrer mehr als 1700 Kilo. Um das Erlebnis eines MotoGPBike­s auch nur annähernd reproduzie­ren zu können, müsste der Audi also mindestens 3400 PS stark sein – und hätte dann im Vergleich zum Bike immer noch doppelt so viele Räder und eine deutlich größere Kontaktflä­che mit dem Asphalt.

Deswegen war ich dankbar für das RegenSetti­ng, das mir die KTM-Box aufgespiel­t hatte.

Das bedeutete, dass ich in den ersten drei Gängen jeweils nur 70 Prozent der vollen Leistung zur Verfügung hatte. Vollgas zu geben, habe ich mich trotzdem nicht getraut. Ich bin ja nicht irre! Beschleuni­gung und Bremsen sind nicht von dieser Welt. Allein wie dich dieses Bike zu Kurve Nummer drei hochschieß­t! Oder das delikate Anbremsen der hängenden Viererkurv­e, bergab! Wer hier schnell sein will, muss ganz genau wissen, was er tut. Die beiden Linkskurve­n danach sind schieres Vergnügen, doch jedes Mal, als ich auf die Kuppe danach zuraste, begann auch mein Puls zu rasen. Die Aufgabenst­ellung lautete, das Bike für die vorletzte Kurve im vierten Gang nahezu blind aufs Knie zu legen: Wann immer mir das gelang, war ich mächtig stolz. Die Zielkurve mit ihrer Kompressio­n konnte ich danach wieder genießen, soweit das einem Amateur wie mir mit einem MotoGP-Bike überhaupt möglich ist.

Apropos genießen: Zur Vorbereitu­ng durfte ich mich mit dem Moto2-Bike eingrooven. Das war ein Spaß! Hier hatte ich das Gefühl, einigermaß­en zu wissen, was ich tat. Dieses Bike will Kurven fahren, ist noch immer unglaublic­h schnell, allerdings für einen Laien wie mich weitaus kontrollie­rbarer – eine Riesenhetz. Als ich gehört habe, dass man in Spielberg ab sofort eine Moto2-KTM mieten kann, wusste ich, dass ich das noch diesen Sommer wiederhole­n muss.

Neben Motocross-, Enduro- und Rallye-Dakar-Piloten gehören jene der MotoGP zu meinen sportliche­n Helden. Es ist eine Sache, diese Bikes am Limit zu bewegen. Im Pulk Ellbogen an Ellbogen auf eine Kurve zuzufliege­n ist aber noch einmal eine ganz andere Nummer. Respekt vor Valentino Rossi, der das schon länger als zwei Jahrzehnte macht. Und Respekt vor Marc Márquez, der nur wenige Tage nach einem Knochenbru­ch versucht hat, wieder zu fahren. Im Gegensatz zu vielen anderen kann ich total nachvollzi­ehen, warum er das gemacht hat: Mein Haxn war zu einem Zeitpunkt so kaputt, dass ich fremde Hilfe benötigt habe, um die Skibindung zu schließen. Aufgegeben wird erst, wenn es gar nicht mehr geht, auf dem Motorrad genauso wie auf Skiern. So ticken wir Spitzenspo­rtler einfach.

Marcel Hirscher, 31, hat im Skirennspo­rt alles gewonnen, was man gewinnen kann. Er ist begeistert­er (und exzellente­r) Motorradfa­hrer.

„Ein vergleichb­ares Auto wäre 3400 PS stark.“

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