„Emilia hat endlich Spaß am Essen!“
Durch viele Erkrankungen konnte sie nie lernen, Nahrung zu genießen. Jetzt ist das in einer Kinder-Reha geglückt.
Stolze 4 kg wog Emilia bei ihrer Geburt im Juni 2018. Doch danach nahm sie kaum zu und bewegte sich wenig. „Es war alles irgendwie anders als bei ihren Geschwistern“, erinnert sich ihre Mama Sabrina Schubert. Vorerst beruhigte der Kinderarzt, dann empfahl er doch eine Durchuntersuchung im Spital. Dort brach bei Emilia jedoch Influenza aus, sie hatte hohes Fieber, beide Trommelfelle platzten. Anschließend wollte sie nicht mehr gestillt werden, dazu gesellte sich eine Nahrungsunverträglichkeit mit Erbrechen. Mit 9 Monaten wog sie daher erst 6,5 kg.
Als sie 1 Jahr war, wurde das beinahe taube Mädchen an den Ohren operiert (Einsatz bleibender Paukenröhrchen). Danach erkrankte es an Windpocken, das Gehör verschlechterte sich erneut.
Im Herbst 2019 hatte Emilia mit 7,5 kg kaum mehr Kraft, sich aufrecht zu halten. „Im Spital versuchten die Ärzte, leider ohne Erfolg, sie mit Infusionen aufzupäppeln. Meine Tochter wirkte apathisch und ihre Haut war grau“, erzählt die Lavanttalerin unter Tränen von Emilias Kampf zwischen Leben und Tod. „Das war für mich der schlimmste Moment meines Lebens. Schließlich musste eine Nasensonde gelegt werden, über die sie ab dann ernährt wurde.“
Danach ging es kurz bergauf: „Ihre Haut wurde rosig, sie war aktiv, auch ihre Haare wuchsen plötzlich“, schildert die vierfache Mama. Wieder zu Hause erbrach Emilia häufig, die Sonde „kitzelte“sie im Hals, das Gewicht blieb konstant niedrig. So konnte es nicht weitergehen. Die Familie suchte um einen
5-wöchigen Reha-Aufenthalt im „kokon“in Bad Erlach (NÖ) an, der nach längerem Warten für Juni/Juli 2020 genehmigt wurde.
Wie entstehen frühkindliche Essstörungen? „Die Eltern kommen immer mit vielen Schuldgefühlen zu uns, diese gilt es zu nehmen, das muss ich gleich vorab sagen. Vielmehr tragen einschneidende Erlebnisse wie schwere Erkrankungen und Spitalsaufenthalte am Beginn der Essensphase dazu bei, dass manche Kinder kaum etwas zu sich nehmen wollen oder können“, erklärt Prim. Dr.
Anna Maria Cavini, ärztliche Direktorin im „kokon“(https://kokon.rehab).
„Natürlich drängen Eltern ihr untergewichtiges Kind dazu, etwas zu essen, sie fürchten schließlich um sein Leben! Wenn der Sprössling das als Stress empfindet, schaukelt sich die Nahrungsaufnahme oft zu einem schrecklich belastenden Machtkampf auf. Zudem möchten Kinder natürlich irgendwann mitbestimmen, wann und was sie essen – das gehört zur Autonomieentwicklung dazu“, so die Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde.
„Gleich zu Beginn der Reha zog sich Emilia selbst die Sonde aus der Nase. Nach Absprache mit den Ärzten beließen wir es so“, berichtet Sabrina Schubert. „Nun hatte meine Tochter die Chance, ohne Druck essen zu lernen und ihre Angst vor Nahrungsmitteln abzulegen.“Die jungen Patienten treffen sich dafür in einer Gruppe, um gemeinsam intensiv schmeckende Lebensmittel wie Süßes und Saures zu verkosten. „Dabei steht der Spaß im Vordergrund. Die Kleinen greifen alles an, schlecken, spielen damit. Sie lernen, Nahrung mit allen Sinnen wahrzunehmen und entwickeln Vorlieben“, erklärt Dr. Cavini. „Aber auch über die Kalorienaufnahme freuen wir uns. Besonders beliebt sind Schokoschirmchen.“
„Wir haben in der Reha viele tolle Tipps bekommen“, ist Sabrina Schubert dankbar. „Dr. Cavini hat mir etwa geraten, auf einer Fensterbank unseres Zimmers ein kleines Buffet herzurichten. Und siehe da, es hat funktioniert. Emilia hat sich immer wieder selbst etwas davon genommen. Dadurch hat sie die Erfahrung gemacht, ,frei zu sein‘, und ist mental stärker geworden. Zudem haben wir nun immer einen Rucksack mit Snacks und einem rosa Teddybär, der sie zum Essen motiviert, dabei.“„Mithilfe der Physiotherapie wird in der Reha die Mundmuskulatur trainiert. Logopäden helfen, indem sie den Mundraum des Kindes z. B. mit Kalt-warm-Reizen und diversen Geschmäckern stimulieren, den Speichelfluss anregen und das Schlucken üben“, erklärt Dr. Cavini. Zu Emilias Highlights zählten das Malen in der Ergotherapie sowie Trommeln, Singen und Tanzen (Musiktherapie). Wichtig war zudem die Schulung der Motorik, da das Mädchen leicht verdreht geht und schwache Muskeln hat. Zusätzlich wird für jedes betroffene Kind, aber auch seine Eltern und Geschwister, Psychotherapie angeboten.
Von den Physiotherapeuten bekam Frau Schubert den Rat, vor ihrem Haus einen Sinnesparcours mit unterschiedlichen Untergründen (Holz, Steine, Sand) anzulegen, in dem Emilia ihre Sinne weiter schulen kann – das hat die Familie prompt umgesetzt, wie man am herzigen Foto sieht.
Heute, kurz nach der Reha, wiegt die 2-Jährige 10 Kilo bei einer Größe von 86 cm. Fröhlich wandert sie beim Fototermin durch den Garten, traut sich über den Sinnesweg zu gehen und schaukelt. „Es gibt Hilfe, man darf nur nicht aufgeben!“, möchte Familie Schubert allen Eltern kranker Kinder Mut machen.