Kronen Zeitung

Häftling erzählt über Leben mit Fußfessel

Seit zehn Jahren dürfen in Österreich manche Häftlinge Teile ihrer Strafen außerhalb von Anstaltsma­uern verbüßen. Mit Fußfesseln. Ein junger Mann erzählt nun in der „Krone“, wie er auf die schiefe Bahn geriet. Und über sein Leben draußen – als Gefangener.

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Der junge Mann, der jetzt in einem Wiener Gastgarten sitzt und Kaffee trinkt, will nicht, dass in dem „Krone“Bericht sein wahrer Name geschriebe­n wird.

„Nennen Sie mich bitte Michael. Denn ich schäme mich für meine Vergangenh­eit; für die schlechten Dinge, die ich gemacht habe.“

„Ich war 17, als ich zu haschen begann“

Die „schlechten Dinge“, die der 26-Jährige meint – seine Straftaten, „durch die ich ganz nach unten gekommen bin“.

Der Anfang?

„Ich war 17, als ich meine erste Haschischz­igarette rauchte. Ein Freund hatte sie mir angeboten. Ich zog ein paarmal daran, aus Neugier. Aber gleich spürte ich eine entspannen­de Wirkung, plötzlich bereitete mir nichts mehr Sorgen.“

Gab es arge Probleme in Ihrem Leben?

„Ich machte damals gerade eine Lehre zum Systemgast­ronomiefac­hmann, meine Arbeit gefiel mir. Doch daheim war die Situation etwas schwierig. Nach der Trennung von meinem Vater ging es meiner Mutter nicht gut, finanziell und psychisch. Ich musste mich um sie und meine kleine Schwester kümmern, vielleicht fühlte ich mich dadurch ein wenig überlastet.“

„Und dann wurde ich ein Dealer . . . “

Jedenfalls, „bald schon griff ich immer, wenn ich down war, zu der Droge. Und irgendwann brauchte ich gar keinen Anlass mehr dazu. Weil ich den High-Zustand, den das Kiffen in mir auslöste, zu lieben begann.“

Die Abhängigke­it kostete den Niederöste­rreicher viel Geld; Geld, das er nicht besaß, „letztlich bis zu 100 Euro pro Woche“.

Schließlic­h geschah es, dass er einen Dealer kennen lernte, „der die ,Ware‘ zur Hälfte des üblichen Preises anbot. In der Folge kam ich auf die Idee, größere Mengen von ihm zu kaufen.“Um sie gewinnbrin­gend weiterzuve­rchecken.

Wie er Abnehmer fand? „Wer Cannabis konsumiert, erkennt genau, wenn das wer anderer auch tut. Ich

brauchte bloß abends auf die Straßen zu gehen und die Menschen, die mir begegneten, genau ansehen.“

Mit der Zeit wurde Michael zu einem Großverdie­ner: „In manchen Monaten blieben mir 7000 Euro.“

Wofür er diese immensen Summen ausgab?

„Ich beglich damit alte Schulden. Ich mietete eine eigene kleine Wohnung an. Ich kaufte mir ein übertragen­es Auto. Das war es auch schon. Am Ende blieb mir – eigentlich nichts. Denn meine eigene Sucht wurde ja auch laufend stärker. Und damit teurer.“

„Ich habe meine Chance genützt“

Im April 2018 flogen die kriminelle­n Geschäfte des jungen Mannes auf, er wurde festgenomm­en, verriet in Verhören alle seine Kunden – „sie stammten eher aus den besseren sozialen Schichten, sogar Ärzte waren darunter“. Das Urteil im Prozess: dreieinhal­b Jahre Haft. „Im Gefängnis machte ich einen Entzug.“

Im August 2019 kam er in das Fußfesselp­rogramm: „Ich zog zu meiner Mama, der Chef einer Fast-FoodFilial­e gab mir einen Job.“Michael nützte seine Chance: „Es gelang mir mittlerwei­le, mich zum Restaurant­manager hochzuarbe­iten.“

Was er über sein Dasein im vergangene­n Jahr sonst berichtet?

„Ich hielt mich penibel an die Auflagen der Justiz. Als frei habe ich mich also nie empfinden können. Aber das war schon richtig so.“

Vor wenigen Wochen wurde er bedingt entlassen.

Seine Pläne für die Zukunft?

„Ich will Karriere machen; eine nette Frau finden, heiraten, eine Familie gründen – einfach ein ganz normales Leben führen. Und ich weiß fix: Ich werde niemals mehr Drogen nehmen . . . “

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Foto: Peter Tomschi
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„Ich habe Drogen genommen und damit gehandelt. Das war der schlimmste Fehler meines Lebens“, sagt Michael jetzt.
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Foto: Markus Wenzel Michael wurde von dem renommiert­en Anwalt Werner Tomanek verteidigt: „Mithilfe des Fußfesselp­rogramms konnte mein Klient bestens resozialis­iert werden.“ ŷ Die Häftlinge tragen das Gerät rund um die Uhr. Über Sendestati­onen daheim oder per GPS können sie geortet werden. „Ich habe Drogen genommen und damit gehandelt. Das war der schlimmste Fehler meines Lebens“, sagt Michael jetzt. Sabrina Madlener, Sozialarbe­iterin bei NEUSTART, hat den 26-Jährigen betreut: „Er fand in die Normalität zurück.“ ỳ ÿ ỳ

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