Vertragsbruch
Kinder hören auf zu sprechen, zu essen, zu trinken. Sie verfallen in einen grausamen Dornröschenschlaf, aus dem sie nicht einmal der Kuss ihrer verzweifelten Mütter zu wecken vermag. Sie ziehen sich in eine eigene Welt zurück, weil die Welt um sie herum so unerträglich ist.
Es ist eine furchtbare Krankheit – eine, die symptomatisch für die unmenschlichen Zustände im Lager Moria ist. Das Resignationssyndrom oder auch Giving-up-Syndrom befällt vor allem traumatisierte Flüchtlingskinder – Kinder, denen Not und Angst alle Hoffnung geraubt haben, sodass sie sich in die völlige Selbstaufgabe flüchten.
Bereits Anfang des Jahres berichteten Medien davon, dass immer mehr Kinder in Moria an dieser Krankheit leiden. Wie mag es diesen hoffnungslosen Kindern jetzt wohl gehen, wo sie das letzte bisschen, was ihnen verblieben ist, auch noch verloren haben? Es zerreißt einem das Herz – auch wenn das für Schallenberg, Kurz & Co. Gefühlsduselei sein mag. In der Hölle von Moria wurden allerdings europäische Werte verbrannt, bei denen es nicht um Gefühle geht – sie sind in Artikel 2 der Europäischen Verträge festgeschrieben: die Achtung der Menschenwürde und die Wahrung der Menschenrechte.
In Moria wurde dieser Vertrag gebrochen – über Jahre hinweg. Vielleicht hat dieses nüchterne Argument ja Platz in der „deemotionalisierten“Debatte, die sich Minister Schallenberg wünscht. Und die verlorenen Kinder von Moria sind der so erdrückende Beweis dafür . . .