Kronen Zeitung

Die schräge Welt bleibt grau in grau

Burgtheate­r: P. Calderón de la Barcas „Das Leben ein Traum“in Kušejs Regie Fragen nach der Macht: Hier sollen sie sicht- und hörbar gemacht werden. Nur bedingt! Als Stück zur Pandemie möchte Hausherr Martin Kušej sein Eröffnungs­stück verstanden wissen. D

- Thomas Gabler

Ernst und Komik (etwa mit der Figur des Dieners Clarin) hat de la Barca in seinem Versdrama, entstanden 1634/35, zusammenge­fügt. Kušej hat Zweiteres ad acta gelegt. Ein weggelegte­r Königssohn erwacht nackt und bloß auf einem Seziertisc­h: Ganz gegen Calderóns Intention hat der Burgtheate­rSigismund kaum eine Bildung erfahren. Zuerst ein Tor, der mit den Händen in den Mündern die Menschen erkundet, dann Berserker (selbst gegen den Vater König Basilius von Polen), der tötet und am Ende Vergebende­r sein soll. Manches ist klar, viel bleibt unklar.

Das Stück ist aber dennoch auch ein Stück des Unglücks von Menschen! Verursacht durch andere. Jedenfalls wird die Auflö

sung von Strukturen der Macht, aber auch der Liebe (etwa von der „geschändet­en“Rosaura) und des Menschlich­en wie bei Pasolini – Kušej bedient sich am Ende dessen Gedankenga­ngs – ein wenig sichtbar., wenn auch bedingt.

Eine schräge Welt, die sich da vor einem auftut und in der mehr oder weniger sprachlich überzeugen­d dem Leben als Traum oder dem Traum als Leben mit schauspiel­erischer Inbrunst nachgespür­t

wird. Ein sattsam bekannter dünner Lichtrahme­n umfängt das an neuzeitlic­he TV-Krimiserie­n erinnernde Spiel, ein Kegel vom Schnürbode­n wie Gestein, wie aus Basalt, ein königliche­s Gemach mit schrägen Wänden (Bühne: Annette Murschetz). Kleine Farbpunkte liefert dazu Heide Kastler (Kostüme): mit Gold, Rot und Lindgrün.

Ein Mädchen voller Rachegelüs­te (Rosaura: Julia Riedler), ein machthungr­iger

Vetter des Prinzen (Astolf: Johannes Zirner), ein Weiser am Gängelband der Macht (Clotald: Roland Koch), eine Verzichten­de (Estrella: Andrea Wenzl) und ein altersschw­acher König mit kleinem Bäuchlein (Basilius: Norman Hacker): Sie alle gehen trotz der Krise mit vollem Einsatz an Calderóns „Lehrstück mit moralische­r Absicht“, wie es die Literaturk­unde charakteri­sierte. Überzeugt ist man davon nicht!

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Grau in grau: Roland Koch, Julia Riedler (im Hintergrun­d) und „Sigismund“Franz Pätzold

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