Die schräge Welt bleibt grau in grau
Burgtheater: P. Calderón de la Barcas „Das Leben ein Traum“in Kušejs Regie Fragen nach der Macht: Hier sollen sie sicht- und hörbar gemacht werden. Nur bedingt! Als Stück zur Pandemie möchte Hausherr Martin Kušej sein Eröffnungsstück verstanden wissen. D
Ernst und Komik (etwa mit der Figur des Dieners Clarin) hat de la Barca in seinem Versdrama, entstanden 1634/35, zusammengefügt. Kušej hat Zweiteres ad acta gelegt. Ein weggelegter Königssohn erwacht nackt und bloß auf einem Seziertisch: Ganz gegen Calderóns Intention hat der BurgtheaterSigismund kaum eine Bildung erfahren. Zuerst ein Tor, der mit den Händen in den Mündern die Menschen erkundet, dann Berserker (selbst gegen den Vater König Basilius von Polen), der tötet und am Ende Vergebender sein soll. Manches ist klar, viel bleibt unklar.
Das Stück ist aber dennoch auch ein Stück des Unglücks von Menschen! Verursacht durch andere. Jedenfalls wird die Auflö
sung von Strukturen der Macht, aber auch der Liebe (etwa von der „geschändeten“Rosaura) und des Menschlichen wie bei Pasolini – Kušej bedient sich am Ende dessen Gedankengangs – ein wenig sichtbar., wenn auch bedingt.
Eine schräge Welt, die sich da vor einem auftut und in der mehr oder weniger sprachlich überzeugend dem Leben als Traum oder dem Traum als Leben mit schauspielerischer Inbrunst nachgespürt
wird. Ein sattsam bekannter dünner Lichtrahmen umfängt das an neuzeitliche TV-Krimiserien erinnernde Spiel, ein Kegel vom Schnürboden wie Gestein, wie aus Basalt, ein königliches Gemach mit schrägen Wänden (Bühne: Annette Murschetz). Kleine Farbpunkte liefert dazu Heide Kastler (Kostüme): mit Gold, Rot und Lindgrün.
Ein Mädchen voller Rachegelüste (Rosaura: Julia Riedler), ein machthungriger
Vetter des Prinzen (Astolf: Johannes Zirner), ein Weiser am Gängelband der Macht (Clotald: Roland Koch), eine Verzichtende (Estrella: Andrea Wenzl) und ein altersschwacher König mit kleinem Bäuchlein (Basilius: Norman Hacker): Sie alle gehen trotz der Krise mit vollem Einsatz an Calderóns „Lehrstück mit moralischer Absicht“, wie es die Literaturkunde charakterisierte. Überzeugt ist man davon nicht!