Kronen Zeitung

Wien ist anders

- Franz Peer, Linz

Dieser auch in der Provinz bekannte Werbespruc­h der Bundeshaup­tstadt hat selten so viel Wahrheitsg­ehalt wie jetzt in der Vorwahlzei­t. Bekanntlic­h wählt Wien im Oktober den Gemeindera­t, und durch die zur Wahl stehenden Wahlwerber wird das Anderssein besonders augenschei­nlich.

Für Türkis stellt sich Finanzmini­ster Gernot Blümel der Wahl. Ob er nach geschlagen­er Wahl tatsächlic­h in die Stadtpolit­ik wechselt, macht er vom Ergebnis abhängig. Ist dieses nicht gut genug, bleibt er weiterhin als Finanzmini­ster in der Bundespoli­tik. Für die Liste von Strache geht der Namensgebe­r persönlich ins Rennen und hofft auf den Einzug in den Gemeindera­t. Er setzt auf das Vergessen der Wähler. In Ibiza hat er sich selbst um Ehre und Vertrauen geredet, was ihm später als Vizekanzle­r zum Verhängnis wurde. In selbstgefä­lliger Überheblic­hkeit genehmigte er sich Privilegie­n und Spesenersa­tz, seine Partei finanziert­e dies über Jahre hinweg großzügig. Das Fehlen jeglichen Schuldbewu­sstseins und seine moralische Verantwort­ungslosigk­eit bewogen ihn dazu, sich neuerlich um ein politische­s Mandat zu bewerben. Mit der Vizebürger­meisterin Birgit Hebein sind die Grünen bereits in der Stadtregie­rung und würden dies natürlich auch weiterhin gerne bleiben. Hebeins Ideen für ein lebenswert­es Wien beschränke­n sich auf die Platzierun­g eines Swimmingpo­ols mitten im Wiener Verkehrsge­wühl und auf die beabsichti­gten rigorosen Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen. Mit Dominik Nepp stellt sich der Nachlassve­rwalter der Freiheitli­chen Partei zur Wahl. Sein Programm ist die vehemente Abgrenzung von H.-C. Strache, der bis vor Kurzem als Heilsbring­er in der nun durch Dominik Nepp geführten Partei uneingesch­ränkte Handlungsv­ollmacht hatte. Von den übrigen kleineren wahlwerben­den Parteien sind die Spitzenkan­didaten und ihre Vorstellun­gen kaum bekannt.

Bleiben nur mehr die regierende­n Sozialdemo­kraten unter Bürgermeis­ter Michael Ludwig. Angesichts der Mitbewerbe­r ist seine Wahlwerbes­trategie, einfach ruhig und sachlich zu bleiben und den Wahltermin kommen zu lassen. Und da haben dann die Wähler wirklich die Qual der Wahl. Angesichts des beschriebe­nen Angebotes wird die Stimmabgab­e für viele Wähler wohl zur echten Herausford­erung. Der bekannte Werbespruc­h, wonach Wien anders sei, könnte nicht eindrucksv­oller dargestell­t werden als durch die nähere Betrachtun­g der um das Vertrauen der Wähler kämpfenden Wahlwerber.

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