Kollektiver Siegesrausch
Man findet sie zurzeit nicht so oft, die Momente, in denen die Gesellschaft in trauter Einigkeit auf einen gemeinsamen Nenner kommt. In denen sich über diese Gräben, die Corona, Asylpolitik, Klimakrise und so viele andere Zankäpfel immer tiefer schaufeln, ein verbindendes Netz spannt. Und manchmal kann das auch ein Tennisnetz sein – wie in dieser atemberaubenden Nacht auf Montag, in der sich die Timeline von Facebook in eine Thiemline verwandelte – und Dominic Thiem am anderen Ende der Welt ganz Österreich in den kollektiven Siegesrausch ballerte.
Wenn man als nervlich zerrütteter Sofasurfer vor dem Fernseher fast so viel schwitzt wie der Sportler selbst, dann fühlt sich so ein Sieg halt immer ein bisschen wie eine Teamleistung an. Auch wenn er natürlich eine reine Thiemleistung (die letzte Namens-Verballhornung, versprochen) war. Dann haben WIR den Grand-Slam-Titel gewonnen – und WIR, das sind dann für einen triumphalen Augenblick wirklich alle, egal, ob Maskenträger oder nicht, ob alt oder jung, rechts oder links oder was auch immer. Dass dieser Tennisthriller eine Wahnsinnsleistung war, darauf können sich alle, sogar Sportmuffel wie ich, in einem erholsamen Wir-Moment einigen.
Der Sport hat sich schon oft in schweren Zeiten als verbindender Kitt der Gesellschaft bewiesen. Dominic Thiem hat das auch geschafft – mit seiner Willensstärke und seinem Spielgeist ist er ein großartiger Superkleber.