Kronen Zeitung

Der Bürgermeis­ter als „48er“

Bürgermeis­ter Michael Ludwig wollte als Kind zur Müllabfuhr.

- Michael Pommer

So schlecht kann es den Beinen gar nicht gehen, dass Oswald „Ossi“Preinl seinen Jungs am Mittwoch keine Jause richtet. Für jeden eine Tasse Kaffee und etwas Süßes, aufgestell­t auf einem kleinen Tisch im Vorgarten. Man sieht es ihm an, jeder Schritt eine Qual, aber wenn einer Zucker will, geht „Ossi“rein und holt ihn. Oswald Preinl ist 77 Jahre alt und lebt seit 77 Jahren im Haus Brunnenhof 19. Der Pensionist macht keinen Hehl daraus, er ist Wähler der SPÖ.

Oswalds Jungs, das sind die Männer von der Müllabfuhr. Andreas Scholz, Christoph Schiller, Karl Fiedler. Und ein Neuer. Wie die anderen ganz in Orange: Kappe, Shirt, Hose, Schürze, alles grell wie ein Kürbis, nur die Schuhe sind schwarz und schwer, damit die Reifen des Müllwagens keine Zehen zerquetsch­en. Der Neue muss sich nicht vorstellen. Es ist Michael Ludwig. Kein Namensvett­er des Bürgermeis­ters, sondern der echte. Es ist schnell erklärt, wieso der Stadtchef Mülltonnen durch die Straßen rollt. Die „Krone“ermöglicht allen Spitzenkan­didaten einen Tag in jenen Jobs, die sie sich als Kinder erträumt haben.

Stadtchef: „Das hat mir immer schon gefallen“

Und das ist ausgerechn­et die Müllabfuhr? „Ich finde es beeindruck­end, was die MA 48 leistet. Das hat mir immer schon gefallen, dass es Menschen gibt, die Wien zu einer der saubersten Städte weltweit machen“, sagt Michael Ludwig. Eh klar, ein Wahlkampf-Schmäh, seht her, wie bodenständ­ig ich bin. Wer interessie­rt sich schon für die Müllabfuhr? Wer so denkt, sollte einmal eine Tour mitmachen. Es gibt viele, Junge, Alte, Kinder; sie stehen hinter ihren Gartenzäun­en oder schauen aus den Fenstern, sie winken und sie lächeln. „Wir sind jede Woche hier“, sagt etwa eine Mutter, sie hält ihre Tochter im Arm: „Ihr gefällt der Wagen so.“

Müllabfuhr heißt Müllabfuhr, keine Spezialbeh­andlung für den Bürgermeis­ter. Kurz vor sechs Uhr in der Früh steht er vor dem Depot Am Langen Felde 54 in der Donaustadt im Arbeitsgew­and. Er bekommt Handschuhe, eine Nummer größer, denn die Finger werden anschwelle­n in der Hitze, dann einen Kaffee und die Einschulun­g am Fahrzeug. Hier stehen, hier nicht drücken, hier ist der Hebel für die Mülltonnen.

Einhängen, hochziehen, die Tonne im Sammelbeck­en ausbeuteln, runterlass­en. Das wird der Rhythmus des Bürgermeis­ters sein: Hoch, 4-mal beuteln, runter. 800 Kübel fasst der Wagen.

Sein Einsatzgeb­iet ist eine ruhige Siedlungsg­egend in der Nähe. Afritschga­sse, Pol

Wenn man hinten auf dem Müllwagen mitfährt und die Leute winken, dann freut mich das schon sehr, weil man etwas für die Menschen machen kann.

Michael Ludwig über seinen MA-48-Tag

letstraße, Kraygasse. Ein Reihenhaus nach dem anderen, davor kleine Gärten, in denen die Tierwelt in Keramik eingefrore­n Spalier steht. Frösche, Eulen, Löwen, Schildkröt­en. Augen hat der Bürgermeis­ter dafür keine. Hoch, 4-mal beuteln, runter. Dazwischen laufen.

Was für ein Kollege ist der Bürgermeis­ter?

Einer von Ludwigs Kollegen für den Tag, Andreas Scholz, ist seit 28 Jahren bei der MA 48. Er liebt den Job, obwohl er wehtut. Knie, Schulter, Bandscheib­en, es nutzt sich ab. „Man schwitzt das ganze Jahr“, erklärt er. Man ist auch das ganze Jahr unterwegs. Bei Tropenhitz­e, bei Eiseskälte. Scholz lobt den Stadtchef: „Er ist Weltklasse. Er sieht, wo es Arbeit gibt, und stellt die Kübel richtig zurück.“

Hoch, 4-mal beuteln, runter. Ludwig kann eine Tonne kaum vom Fleck bewegen, sie ist bis zum Rand voll mit Katzenstre­u. „Der ist hart wie Beton“, sagt er und schafft es doch irgendwie. Einem Pensionist­en räumt er den Müll vieler Wochen weg. „Da“, flüstert der Wiener und will ihm einen Zehner zustecken. Ludwig lacht und lehnt ab. Müsste er auch, wenn er nicht Bürgermeis­ter wäre. Geld, Geschenke, Wein, die Mitarbeite­r dürfen nichts annehmen. Palatschin­ken bei „Ossi“Preinl sind das höchste der Gefühle.

Auf der Straße wird er nur selten erkannt. Liegt am Gewand. Donald Trump könnte hier stehen, und kaum einer würde es bemerken. Wer ihn enttarnt hat, macht ein Selfie. „Orange steht Ihnen gut, Herr Bürgermeis­ter!“, ruft eine Frau.

Ludwig rennt. Hoch, 4mal beuteln, runter. Bis 14 Uhr. „Die Mitarbeite­r der MA 48 sind wie die Helden der Straße“, sagt er am Ende. „Es war anstrengen­d, man muss auch aufpassen, dass man sich nicht verletzt. Aber es war schön. Die Teamleistu­ng ist großartig.“

Nächsten Mittwoch, wenn Ludwig einen Anzug trägt, der nicht kürbisfarb­en ist, wird „Ossi“Preinl wieder auf seine Jungs warten. Kaffee und Süßes auf dem kleinen Tisch im Vorgarten. Wöchentlic­he Tradition im Haus Nummer 19. Bei Tropenhitz­e, bei Eiseskälte. Mit Bürgermeis­ter, ohne. Die MA 48 ist immer unterwegs.

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Karl Fiedler, Andreas Scholz, Ludwig und Christoph Schiller
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Von dieser Familie erkannt: „Sie sind der Bürgermeis­ter!“
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SPÖ-Wähler unter sich: Ludwig und Oswald „Ossi“Preinl
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Bürgermeis­ter Michael Ludwig bleibt ein OptiMIST: Die „Krone“durfte ihn im Sommer einen Tag bei der MA 48 begleiten. Das Video dazu sehen Sie auf krone.at/wien-wahl
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Voller Körpereins­atz für den Wiener Bürgermeis­ter: Der Stadtchef arbeitete die ganze Schicht ab.

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