Zweite Welle
Darf ich, ohne mich versündigen zu wollen, anmerken, dass ich von unserem Kanzler doch etwas enttäuscht bin? Etwas mehr Kreativität bei der Präsentation der zweiten Welle, die er in virologischer Exzellenz persönlich diagnostiziert hat, hätte ich mir schon erhofft. Etwa durch Verlegung der Eröffnungsfeierlichkeiten vom Kanzleramt ins Kleine Walsertal: mit Huldigungsprozession in Form eines Vogeltanzes, Blasmusik und Kinderchor plus Kanzler-Einzelküssung. Bei dieser Gelegenheit hätte er gleich feierlich das letzte Band zum Koalitionspartner durchschneiden können (seit Anschober höhere Beliebtheitswerte hat, reicht dazu ein Nagelzwicker).
Mittlerweile wird bundesweit gerätselt, welche Art Licht dem Kanzler noch am 28. August im Tunnel erschienen sein mag. Womöglich das Pannendreieck des Gesundheitsministers, der mit Fahrradpatschen hängen geblieben war? Klar hingegen ist: Es braucht einfache Regeln, wobei man sich bis vor Kurzem auf zwei beschränkt hat: 1. Es wird dringend empfohlen, dringende Empfehlungen des Gesundheitsministers als gegenstandslos zu betrachten (der Bundeskanzler). 2. Es wird dringend empfohlen, dringende Empfehlungen des Bundeskanzlers als gegenstandslos zu betrachten (der Gesundheitsminister). Die Folgen sehen wir.
Dass beide, viel zu spät, beim Quartettgesang am Donnerstag doch noch mit einer Stimme gesungen haben, dürfte eine Sparmaßnahme sein: falls die Stimmen bei kommenden Urnengängen erwartbar knapp werden.