Im Dämmerschein
Kammerspiele: Ein neuer Turrini
Ein Wunder von einem Kammerspiel ist Peter Turrini da geglückt: zwei ergiebige, glaubhafte Rollen, poetische, warmherzige Dialoge und der Grundton der Zuversicht, der sein Alterswerk überglänzt. „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“, in großer Besetzung an den Wiener Kammerspielen uraufgeführt, ist eine Pretiose in Zeiten der Novitäten-Inflation.
Turrini hat mit gewaltigen Gesellschaftstragödien Geschichte geschrieben: „Alpensaga“und „Arbeitersaga“im Fernsehen, „Die Minderleister“und „Tod und Teufel“in Peymanns goldener Burgtheaterzeit. Sein erster Welterfolg aber war das Zweipersonenstück „Rozznjogd“, eine Jugendtragödie ohne Hoffnung. Ein Jahrzehnt später hat er mit „Josef und Maria“einen neuen Ton gefunden: Zwei alte, vom Leben ausgemusterte Verlierer behaupteten da ihr Menschenrecht auf Persönlichkeit und Sexualität.
Um eine ähnliche Konstellation kreist auch das neue, besonders geglückte Stück: Ein einst staatstragendes Industriellen-Paar verarbeitet in der hochpreisigen Einsamkeitshölle einer Seniorenresidenz seinen gegenseitigen, über Jahrzehnte aufgebauten Hass. Doch die sich ankündigende Demenz bewahrt sie barmherzig vor der finalen Katastrophe, und am Ende dämmern sie in den Neubeginn des Vergessens.
Das ist so berührend wie kühn und verlangt nach den heute missachteten Tugenden großen Schauspielertheaters. Der Regisseur Alexander Kubelka und sein Protagonistenpaar Maria Köstlinger und Johannes Krisch sind hier die richtigen Beteiligten. Ohne Aufwand, nur mit dem Können zweier großer Schauspieler, durchmessen sie schwerelos fünf Jahrzehnte. Auch das Kind Moritz Hammer beweist Format.