Kronen Zeitung

Sich verlieren im Herbst des Lebens

Kammerspie­le: Uraufführu­ng von Turrinis „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“

- Thomas Gabler

Etwas Neues: P. Turrini

Man sollte sie sofort für sein Stück „Josef und Maria“verpflicht­en: Johannes Krisch und Maria Köstlinger geben Peter Turrinis Werk das Menschlich­e, die Sprache, die heute mehr und mehr abhandenko­mmt. Auch Regisseur Alexander Kubelka weiß darum.

Herr Direktor wettert in einem Wochenmaga­zin gegen die politische­n Zustände im Land, der Rest seines doch noch sehr bürgerlich­en Publikums bleibt ihm dennoch gewogen. Wie man bei der Premiere in den Kammerspie­len sehen konnte. Nicht bös gemeint!

Peter Turrini tat ihm dazu mit seinem neuen Stück

„Gemeinsam ist Alzheimer schöner“nur einen kurzen Polit-Gefallen: mit einem energische­n Monolog über die Zustände, Klima, Natur.

Was für ein Name: „Herbstfreu­de“! Das Seniorenhe­im zwischen Luxusappar­tement und Billigkate­gorie im Einbettzim­mer ist der Ort, an dem ein namenloses altes Ehepaar verbales PingDer pong spielt, sich die Vorwürfe im wahrsten Sinn des Wortes entgegensc­hmeißt. Sie: „Morgen werde ich ihn verlassen.“Er: „Ich hänge an dir.“Aber das ist nicht das Rührende, das Berührende in Turrinis Stück. Es sind kleine Sequenzen, das letzte Aufleuchte­n einer Liebe (die es ja gab), das Tanzen, die täglichen Probleme, die Zahnpasta auf die Zahnbürste zu bekommen . . . Und die Sehnsucht nach einem längst vergangene­n Frühling, nach einem Leben, das man in langen vierzig Jahren anders hätte leben können. Gemeinsam!

Immer wieder werden sie unterbroch­en von den Stimmen der Betreuer aus dem Lautsprech­er, von Alfred (mild: Roman Schmelzer) und Eckehard (herrisch: Michael Dangl): Maria Köstlinger und Johannes Krisch imponieren im Spiel zwischen Kampf und Hilfegeben, besonders beim Immerwiede­r-Zueinander­finden.

Dieses Turrini-Paar in Gestalt der beiden blieb sich in Jahrzehnte­n nichts schuldig! Turrini spricht vom „Zerbröseln des Lebens“: Köstlinger und Krisch lassen es erahnen: Der Tod „wandert“mit.

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Das Gestern taucht im stetigen Vergessen immer wieder auf: Maria Köstlinger und Johannes Krisch imponieren als Paar im Niedergang, bei Abschied von Geist und Leben.
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