Sich verlieren im Herbst des Lebens
Kammerspiele: Uraufführung von Turrinis „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“
Etwas Neues: P. Turrini
Man sollte sie sofort für sein Stück „Josef und Maria“verpflichten: Johannes Krisch und Maria Köstlinger geben Peter Turrinis Werk das Menschliche, die Sprache, die heute mehr und mehr abhandenkommt. Auch Regisseur Alexander Kubelka weiß darum.
Herr Direktor wettert in einem Wochenmagazin gegen die politischen Zustände im Land, der Rest seines doch noch sehr bürgerlichen Publikums bleibt ihm dennoch gewogen. Wie man bei der Premiere in den Kammerspielen sehen konnte. Nicht bös gemeint!
Peter Turrini tat ihm dazu mit seinem neuen Stück
„Gemeinsam ist Alzheimer schöner“nur einen kurzen Polit-Gefallen: mit einem energischen Monolog über die Zustände, Klima, Natur.
Was für ein Name: „Herbstfreude“! Das Seniorenheim zwischen Luxusappartement und Billigkategorie im Einbettzimmer ist der Ort, an dem ein namenloses altes Ehepaar verbales PingDer pong spielt, sich die Vorwürfe im wahrsten Sinn des Wortes entgegenschmeißt. Sie: „Morgen werde ich ihn verlassen.“Er: „Ich hänge an dir.“Aber das ist nicht das Rührende, das Berührende in Turrinis Stück. Es sind kleine Sequenzen, das letzte Aufleuchten einer Liebe (die es ja gab), das Tanzen, die täglichen Probleme, die Zahnpasta auf die Zahnbürste zu bekommen . . . Und die Sehnsucht nach einem längst vergangenen Frühling, nach einem Leben, das man in langen vierzig Jahren anders hätte leben können. Gemeinsam!
Immer wieder werden sie unterbrochen von den Stimmen der Betreuer aus dem Lautsprecher, von Alfred (mild: Roman Schmelzer) und Eckehard (herrisch: Michael Dangl): Maria Köstlinger und Johannes Krisch imponieren im Spiel zwischen Kampf und Hilfegeben, besonders beim Immerwieder-Zueinanderfinden.
Dieses Turrini-Paar in Gestalt der beiden blieb sich in Jahrzehnten nichts schuldig! Turrini spricht vom „Zerbröseln des Lebens“: Köstlinger und Krisch lassen es erahnen: Der Tod „wandert“mit.