Gemeindebau-Träume der Prinzessin
Staatsoper: Wiederaufnahme von Verdis „Don Carlos“, Konwitschny, de Billy
Als Direktor Ioan Holender 2004 mit Peter Konwitschny & Bertrand de Billy die fünfaktige französische Fassung von Verdis „Don Carlos“herausbrachte, geschah das noch wegen eines drohenden Skandals unter Polizeibewachung. Nun, bei der Wiederaufnahme, war alles eitel Wonne. Viel Applaus für die Besetzung.
Covid-bedingt konnte das als spektakuläres TV-Event inszenierte Autodafé, bei dem die Ketzer durch die Foyers der Staatsoper gepeitscht wurden, nur noch als fades Video gezeigt werden. Das entlockte – wie die zu Verdis Musik champagnisierende Society – niemandem mehr ein Buh.
Wütende Buhs gab’s aber nach der Ballettszene „Ebolis Traum“, die Konwitschny zu einer frechen Parodie umkrempelt: Carlos, seine Familie und Eboli feiern in einer GemeindewohnungsIdylle mit anbrennendem Nachtmahl . . .
Bertrand de Billy am Pult ist die Seele dieser sehr klug inszenierten Produktion. Er hatte an der rekonstruierten Originalfassung Anteil, er findet die ideale Balance zwischen lyrischen Momenten, tiefer Melancholie und dramatischer Zuspitzung, an deren Ende Carlos und Elisabeth Opfer der Machterhaltung und erbarmungslosen Politik des Großinquisitors werden.
Wie 2004 sind Figuren und Situationen fein, mit raffinierten Details charakterisiert. Großartig etwa das Aufeinanderprallen Philipps mit dem Großinquisitor.
Etwas zäh und unsicher wirkt der Anfang, bei dem „Carlos“Jonas Kaufmann und „Elisabeth“Malin Byström erst zueinanderfinden müssen, bevor sie sich im vierten und fünften Akt auf erlesene Stimmkultur, berührende Intensität und den richtigen Ton für die Erlösung konzentrieren. Igor Golovatenko beeindruckt als kraftvoller, liebender Posa, Michele Pertusi bleibt ein verhaltener Philipp, Roberto Scadiuzzi schlägt als Großinquisitor martialische Töne an. Eva-Maud Hubeaux gefällt als leidenschaftliche Eboli mit schlankem Mezzo, Intensität und sicherer Höhe.