Im echten Leben
Ausgerechnet der Gesundheitsminister hat uns dieser Tage daran erinnert, dass wir auch fernab von Corona noch haufenweise Probleme haben. Also verkündete Rudolf Anschober, zugleich Sozialminister, den x-ten „Startschuss“für eine Pflegereform – und zwar nicht für irgendeine, sondern gleich für „die größte seit Jahrzehnten“.
Nur leider lässt einen die Erfahrung der jüngeren Geschichte an derlei Ankündigungen zweifeln. Denn so hitzig politische Projekte in den vergangenen Jahren auch diskutiert, so pompös sie vorgetragen wurden (Erinnern Sie sich beispielsweise an die Kassenfusion, die zwar die medizinischen Leistungen nicht behandelte, aber zur „größten Reform aller Zeiten“aufgeblasen wurde?): Im Alltag der Mehrheit wirklich spürbare Systemveränderungen durch die Politik sind bestenfalls rar. Maßnahmen der Tragweite einer Schüssel’schen Pensionsreform – einerlei, ob man diese nun gut oder schlecht findet – gab es lange nicht.
Doch dann kam Corona. Und mit dem Virus eine beinah in Vergessenheit geratene politische Unmittelbarkeit: Denn mit einem Mal war die Regierung gezwungen, Entscheidungen zu treffen, die unseren Alltag verändern, vom Arbeitsbis zum Fußballplatz. Die Distanz zwischen Politik und dem echten Leben schwand in der Krise, die für Politainment naturgemäß wenig Raum lässt.
Diese Unmittelbarkeit könnte man fernab von Corona gerne beibehalten. Am besten gleich bei der „größten Pflegereform seit Jahrzehnten“, die diese Bezeichnung auch verdient.