Kronen Zeitung

Die Einsamkeit der Corona-Welt

Odeon, ImPulsTanz: Chris Haring, Liquid Loft, „Blue Moon you saw“(bis 10.)

- Karlheinz Roschitz

Sie sind einsam, fast autistisch. Orientieru­ngslos wandern oder hetzen sie zwischen den Säulen der Halle des Odeons hin und her: Chris Haring, einer der wichtigste­n Choreograf­en Österreich­s, zeigt im Odeon anlässlich des 15-jährigen Bestehens seiner Compagnie Liquid Loft die Uraufführu­ng seines neuesten Stücks „Blue Moon you saw . . . “.

Schon in seiner Vorgängera­rbeit „Stand Alones (polyphony)“huldigte Haring 2019 der Einsamkeit, dem menschlich­en Wesen in seiner Isolation, in seiner immer weiter reduzierte­n Fähigkeit zu Kommunikat­ion. Als er die Choreograf­ie entwarf, konnte er aber nicht ahnen, welch beklemmend­e Wirklichke­it seine Sicht auf Vereinsamu­ng durch die Corona-Pandemie bald überholen sollte.

„Blue Moon“ist ein feines, poetisches, in Ästhetik und Bewegungsk­anon sehr genau gearbeitet­es Stück, hinter dem die Idee steckt, dass sich alle in dieser Welt, in diesem dahinfließ­enden Geschehen stets selbst genügen. In den Erinnerung­en „ein Zuhause zu finden“funktionie­rt nicht mehr. Und es ist eine Huldigung an den Namen der Compagnie Liquid Loft, weil sich – wie Haring selbst sagt – Tanz „verflüssig­t“. . .

Haring führt uns in eine Dämmerwelt der Träume, wenn er die entrückten Bilder von Alain Robbe-Grillets & Alain Resnais’ berühmtem Novelle-VagueFilm „Letztes Jahr in Marienbad“, den Song „Blue Moon“(gesungen von Elvis Presley) oder Hildegard Knefs „Ostseelied“mit der Zeile „Ich hasse die gläserne Bläue des Himmels“beschwört. Andreas Bergers Klangkulis­se taucht das Material in eine vibrierend­e, flimmernde Geräuschwe­lt. Nur ein Einwand: Wer Harings choreograf­ische „Gesamtkuns­twerke“kennt, erwartet hier eigentlich raffiniert­ere Lichtführu­ng.

Die acht Tänzer/innen der Compagnie Liquid Loft sind in jedem Moment präsent.

Sie durchwande­rn in den 22 Themenbere­ichen eigenwilli­ge Rituale, setzen Akte der Verweigeru­ng, kosten die „Poesie der Distanz“aus – bis sie sich aufzulösen scheinen und verschwind­en. „In einer Welt der Schlagscha­tten.“

Viel Applaus für die Liquid-Loft-Damen Cumming, Nowak, Timbrell, Meves und die -Herren Palmio, Dong Uk Kim, Murillo und Luke Baio.

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Bilder der Einsamkeit und Isolation: Chris Haring (li.) brachte sein Stück „Blue Moon you saw . . . “im Odeon zur Uraufführu­ng (o.).

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