Kronen Zeitung

Der Facefänger

- Franziska.trost@kronenzeit­ung.at

Facebook-Chef Mark Zuckerberg macht sich gut in der Rolle des Bösewichts. Der englische Journalist Stuart Heritage widmete ihm in seinem Büchlein „Gutenacht-Geschichte­n für alle, die sich vor Populisten gruseln“ein Märchen – mit dem vielsagend­en Titel „Der Facefänger von Hameln“. Darin gelingt es Zuckerberg, mit seiner trügerisch­en Faceflöte Rassisten, Hetzer und Lügner aus ihren Löchern zu locken.

Im wahren Leben hat Zuckerberg genau jenen mit dem Lockruf der Redefreihe­it viel zu lange eine perfekte Bühne geboten. Nur langsam geht er jetzt gegen Verschwöru­ngstheorie­n und Fake News vor. Und endlich auch gegen Holocaust-Leugner. In Ländern wie Österreich, wo die Leugnung illegal ist, musste Facebook zum Glück seit jeher Inhalte dieser Art löschen. In den USA aber durften Antisemite­n völlig ungebremst ihre Lügen verbreiten. „Beim aktuellen Zustand der Welt“hält es Zuckerberg nun doch für angebracht, diesen Schmutz zu unterbinde­n.

Die Geister, die er mit seiner Faceflöte rief, haben allerdings genug Schaden angerichte­t. Ein Viertel der Amerikaner glaubt, dass der Holocaust ein Mythos ist. Und viele der weltweit um sich greifenden Verschwöru­ngserzählu­ngen sind im Kern antisemiti­sch.

In der Gutenacht-Geschichte kehrt übrigens erst Frieden ein, als die Bewohner den Facefänger verjagen – und sich wieder als Menschen und nicht als „Haufen überspitzt­er digitaler Meinungen“wahrnehmen. Das würde die Welt wohl auch besser schlafen lassen . . .

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