Der Facefänger
Facebook-Chef Mark Zuckerberg macht sich gut in der Rolle des Bösewichts. Der englische Journalist Stuart Heritage widmete ihm in seinem Büchlein „Gutenacht-Geschichten für alle, die sich vor Populisten gruseln“ein Märchen – mit dem vielsagenden Titel „Der Facefänger von Hameln“. Darin gelingt es Zuckerberg, mit seiner trügerischen Faceflöte Rassisten, Hetzer und Lügner aus ihren Löchern zu locken.
Im wahren Leben hat Zuckerberg genau jenen mit dem Lockruf der Redefreiheit viel zu lange eine perfekte Bühne geboten. Nur langsam geht er jetzt gegen Verschwörungstheorien und Fake News vor. Und endlich auch gegen Holocaust-Leugner. In Ländern wie Österreich, wo die Leugnung illegal ist, musste Facebook zum Glück seit jeher Inhalte dieser Art löschen. In den USA aber durften Antisemiten völlig ungebremst ihre Lügen verbreiten. „Beim aktuellen Zustand der Welt“hält es Zuckerberg nun doch für angebracht, diesen Schmutz zu unterbinden.
Die Geister, die er mit seiner Faceflöte rief, haben allerdings genug Schaden angerichtet. Ein Viertel der Amerikaner glaubt, dass der Holocaust ein Mythos ist. Und viele der weltweit um sich greifenden Verschwörungserzählungen sind im Kern antisemitisch.
In der Gutenacht-Geschichte kehrt übrigens erst Frieden ein, als die Bewohner den Facefänger verjagen – und sich wieder als Menschen und nicht als „Haufen überspitzter digitaler Meinungen“wahrnehmen. Das würde die Welt wohl auch besser schlafen lassen . . .