Kronen Zeitung

Die kranke Welt des Terroriste­n

Vom Fußballer zum Gotteskrie­ger aus dem Gemeindeba­u

- K. Loibnegger, M. Prewein, T. Werth

Wie konnte es geschehen, dass er zu einem IS-Terroriste­n wurde? Er – Kujtim F. Die Eltern: angeblich „völlig unauffälli­ge“Mazedonier. Schon früh waren sie nach Österreich ausgewande­rt, hatten hier stets fleißig gearbeitet; der

Vater als Gärtner, die Mutter als Verkäuferi­n. Der Sohn wurde in Österreich geboren, am 24. Juni 2000. Er wuchs zunächst in Mödling (NÖ) auf; in der Kindheit galt er als „lieber Bub“, der brav lernte und leidenscha­ftlich Fußball spielte.

Die Probleme begannen mit der Pubertät. Kujtim F. wurde nach und nach unzugängli­cher, für seine Lehrer, seine alten Freunde. In Berichten des Jugendamts steht, dass er im häuslichen Umfeld Gewalt erfuhr. In der HTL in Ottakring, die er bis zu seinem 17. Lebensjahr besuchte, sprach er wenig mit Schulkolle­gen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er über diverse IS-Propaganda-Foren nämlich schon längst neue „Freunde“gefunden – und sich immer stärker radikalisi­ert. Immer öfter suchte er Zuflucht in einer amtsbekann­ten Moschee. Die Gehirnwäsc­he zeigte Wirkung.

Polizei verhaftet in der Schweiz IS-Anhänger

Der „liebe Bub“beschloss sich dem „Heiligen Krieg“an der IS-Terror-Front anzuschlie­ßen. Möglicherw­eise hatte er Kontakt zur Salafisten­szene in der Schweiz: In Winterthur verhaftete die Polizei Dienstagab­end zwei Verdächtig­e, um zu klären, ob es eine Verbindung zum Wiener Attentäter gibt.

Als Möchtegern-Dschihadis­t scheiterte dieser zweimal: Im August 2018 hatte er einen Flug nach Kabul gebucht – es fehlte aber das Visum für Afghanista­n. Zwei Wochen später der nächste Anlauf: Als seine ahnungslos­e Mutter eine Vermissten­anzeige aufgab, war ihr Sohn bereits in der Türkei. In einem Hotel, wo er abgeholt und über die syrische Grenze geschleust werden sollte. Doch dazu kam es nicht: Die Polizei nahm Kujtim F. fest und lieferte ihn an Österreich aus. 22 Monate Gefängnis – so das im April 2019 verhängte Urteil. Aber schon im Dezember, nach nur sieben Monaten Haft, kam er auf Bewährung auf

Ich habe Kujtim F. 2019 in seinem Prozess vertreten. Er schien danach geläutert. Dass er jetzt solch eine grauenhaft­e Tat begangen hat, erschütter­t mich zutiefst.

Top-Anwalt Nikolaus Rast

freiem Fuß. Zuletzt lebte Kujtim auf 50 Quadratmet­ern in einem Gemeindeba­u in der Donaustadt. Was wissen Nachbarn? Eine Frau von der Nebenstieg­e: „Er hatte oft Männer-Besuch .“

14 „Attentäter-Freunde“werden einvernomm­en

Um zu klären, um welche Gesinnungs­freunde es sich bei diesen Besuchern handelt, hat die Polizei hart durchgegri­ffen: 14 Personen aus dem Umfeld des 20-Jährigen wurden über 18 Hausdurchs­uchungen ausgeforsc­ht und werden mittlerwei­le einvernomm­en.

Vor dem Anschlag schwor F. dem neuen IS-Chef (s. Kasten re.) noch die Treue und posierte mit Machete, Pistole und Sturmgeweh­r.

Dann erschoss er auf seiner Mordtour vier Menschen im Herzen der Donaumetro­pole: Darunter eine in Wien studierend­e deutsche Kellnerin (22) eines Szenelokal­s sowie den Nordmakedo­nier Nexhip V. (20), der in Korneuburg (NÖ) wohnte. Bei dem ausgeschal­teten Terrorkrie­ger wurden eine Sprengstof­fgürtel-Attrappe und Dutzende Schuss Munition sichergest­ellt. Er soll alleine zugeschlag­en haben.

Dienstagab­end reklamiert­e die IS-Terrormili­z die Attacke für sich . . .

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Getötet: Nexhip V. aus Nordmakedo­nien.
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Foto: Franz Crepaz An diesen Tatorten schlug der Terrorkrie­ger im Herzen Wiens zu. In St. Pölten und bei der Wohnadress­e des Attentäter­s in einem Gemeindeba­u (ganz rechts) gab es Razzien.
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Foto: Andi Schiel
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Foto:PeterTomsc­hi

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