Nacht der Angst und Tränen
So viel Trubel herrschte in den Gassen, die Schanigärten waren voll – lachende Menschen, die ein letztes Mal Unbeschwertheit vor dem Lockdown genießen wollten, einen letzten Hauch von Sommer vor den langen Herbsttagen. Es war schön, die Stadt so lebendig zu sehen – Wien von seiner wunderbarsten Seite.
Ein letztes Achterl, bevor’s still wird, das wollten wir auch noch schnell trinken in der gemütlichen Bar am Fleischmarkt. Doch plötzlich war die Welt eine andere – Schießerei, Sirenen, Blaulicht. Gerüchte machten in der Bar die Runde, Nachrichtensplitter, die langsam das Bild dieser grausamen Realität zusammensetzten. Als wir dachten, alles sei vorbei, wagte ich mich hinaus, um ein Bild der Polizeiwagen an die Redaktion zu schicken – und erkannte meine Stadt nicht wieder: Polizisten, wohin man sah, die Angst in den Gesichtern der Menschen, die in Hauseingängen Schutz suchten, bedrohliches Gebrüll, das die beklemmende Stille durchbrach.
Wir hatten Glück, wir waren sicher in der Bar, harrten dort stundenlang aus in der Ungewissheit einer furchtbaren Nacht – und irgendwann fand ich dann auch einen Weg nach Hause.
Heute weine ich um alle, denen das nicht gelungen ist. Die nur wenige Meter von mir entfernt brutal ermordet oder verwundet wurden, nur weil sie einen Hauch von Sommer atmen wollten.
Das ist so unbegreiflich – und es tut so weh . . .