Trumps Tricks: Alles schon mal da gewesen . . .
Die 4-Monate-Schlammschlacht nach der Präsidentschaftswahl von 1876 brachte die US-Demokratie an den Rand des Absturzes
Wer glaubt, schmutziger als die machtpolitischen Tricks von Trump ginge es gar nicht mehr, sollte die denkwürdige und folgenschwere Präsidentschaftswahl von 1876 Revue passieren lassen. Damals gab es nach der Wahl am 7. November und einer einzigartigen Schlammschlacht voller juristischer Finten erst am 3. März (!) in einer Not-Wahl durch den Kongress den neuen Präsidenten (damals fand die reguläre Amtsübergabe noch an einem 5. März statt).
Das Drama von 1876 um die US-Präsidentschaft hatte alle Ingredienzien einer Wildwest-Demokratie: Drohungen, Erpressungen, (Richter-)Bestechungen und Gewalt.
Es war der große Showdown zwischen dem Favoriten, dem New Yorker AntiKorruptions-Gouverneur Samuel Tilden, und dem weitgehend unbekannten Gouverneur von New York Rutherford Hayes. Der Bürgerkrieg und die Sklavenbefreiung waren erst 11 Jahre vorüber und die Südstaaten besetzt. Die Republikaner waren damals die liberale Partei (Stichwort Lincoln), während die Demokraten eine noch auf hundert Jahre unheilvolle Koalition aus Progressiven im Norden und Rassisten im Süden ausmachten.
Fake News hatten schon damals Saison, wie: „Tilden hat wegen Syphilis schon Hirnschäden“, „Hayes hatte im Suff auf seine Mutter geschossen“. Demokraten mobilisierten ihre ProudBoys-Milizen, Schwarze von den Wahlurnen fernzuhalten, angeblich bis zu Mord und Totschlag.
In der Wahlnacht lag die Auszählung derart knapp, dass einige Zeitungen schon Tilden zum Präsidenten erklärten. Tatsächlich führte er mit 250.000 Stimmen, doch verfehlte er mit einem einzigen Votum die Mehrheit in dem Kollegium der damals 185 Wahlmänner. Hayes notierte schon in sein Tagebuch: „It’s all over“.
Doch jetzt ging es erst richtig los! Drei Staaten – Florida, Louisiana, South Carolina – hatten keine klare Mehrheit. Würde nur einer davon Hayes zugesprochen, wäre er Präsident.
Zumindest in Louisiana, wenn nicht in allen drei Staaten, wären die Wahlkommissionen bereit gewesen, für
hohe Bestechungssummen dem einen oder anderen Kandidaten zum Sieg zu verhelfen. Doch weigerte sich der Korruptionsgegner Tilden, seiner Gesinnung untreu zu werden – und verspielte damit den Sieg.
Es folgten Wochen des Schwebezustands, und man sprach bereits von neuer Bürgerkriegsgefahr. Republikaner wollten „ihren“Obersten Gerichtshof entscheiden lassen, Demokraten waren wütend dagegen. Beide Parteien erklärten sich schließlich bereit, eine Schiedskommission zu bilden aus Senatoren, Abgeordneten und Obersten Richtern. Man schätzt, dass dies eine 8-zu-7-Mehrheit für die Republikaner ergeben hatte.
Neue Unterdrückung durch Rassen-Trennung
In dem folgenden Kuhhandel hinter den Kulissen wurde ein Kompromisspaket geschnürt, das die USA auf ein ganzes Jahrhundert verhängnisvoll belastet hat: das Ende des Besatzungsregimes („Reconstruction“) in den Südstaaten. Rassenfragen wurden den einzelnen Staaten überlassen. Als Folge davon kam durch die Hintertür die Unterdrückung der Schwarzen zurück; nun durch die Rassentrennung, bezeichnet als „Sklaverei mit anderen Mitteln“.
Präsident Hayes musste unter Spott und Hohn ohne jegliche Autorität amtieren. Er verzichtete auf eine Wiederwahl.
Samuel Tiden konnte nicht überwinden, dass ihm „der Sieg gestohlen“worden war. Er erinnerte immer wieder daran, dass er eigentlich der Mehrheitspräsident gewesen wäre. Auf seinem Grabstein steht: „Ich glaube weiterhin an das Volk“.
Ein amerikanisches Schicksal.