Kronen Zeitung

Der lange Kampf ums Überleben

Sie liegen 12,6 Tage, brauchen viel Pflege, und Erfolge lassen häufig auf sich warten: Täglich steigt die Zahl der Hospitalis­ierungen von Covid-Patienten. Für das Personal ist das eine – physische wie psychische – Belastungs­probe.

- A. Haselwante­r/T.Spari

Es geht bergauf, es geht bergab. „An einem Tag hat man Hoffnung, glaubt, die Therapie schlägt an und man kann den Patienten vom Tubus nehmen – und am nächsten wird es wieder schlechter statt besser“, beschreibt Walter Hasibeder, Vorstandsm­itglied der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Anästhesio­logie, Reanimatio­n und Intensivme­dizin,

den Therapieve­rlauf von Menschen, die schwer an Covid-19 erkrankt sind. Die Sinuskurve der Erkrankung – sie ist vor allem eine Achterbahn­fahrt für das Personal. Denn „jeder, der sich berufen fühlt, diese Arbeit zu machen, entwickelt auch eine Empathie für die Patienten – und es ist schmerzhaf­t, wenn sich die Lage nicht positiv entwickelt“, sagt Hasibeder.

Ewald Wöll ist der ärztliche Leiter im Krankenhau­s Zams

Im Schnitt 12,6 Tage liegen Intensivpa­tienten laut Gesundheit Österreich auf den Stationen. Die Behandlung von Covid-Patienten gleicht also einem Marathon – für beide Seiten. Denn die Erkrankten leiden unter der Situation, „merken ja selbst, dass nichts weitergeht“, und das Personal arbeitet unter erschwerte­n Bedingunge­n. Schutzklei­dung, Maske, Brille, Schürze und Handschuhe seien eine Sache – Therapie und Behandlung noch einmal eine andere.

„Die Belüftung der Lunge ist anders, wenn die Patienten auf dem Bauch liegen“, erklärt Ewald Wöll, ärztlicher Leiter in Zams, „die Patienten können so leichter beatmet werden.“Das heißt aber auch: Kranke Menschen, die häufig alt oder auch adipös sind, unter der Kontrolle der Atemwege wenden zu müssen. „Das ist körperlich enorm anstrengen­d“, sagt Wöll. Und alleine unmöglich.

Intensivpa­tienten: 60 Prozent mehr in 1 Woche

Fast 3000 Personen waren österreich­weit gestern Früh hospitalis­iert; 421 davon intensiv – vorigen Freitag waren es noch 263. Ein Anstieg von 60 Prozent. Prognostiz­iert werden, wie berichtet, bis 18. November 750 Personen auf den Intensivst­ationen. Gesundheit­sexperten warnen schon seit Wochen, dass das Personal feh

Um die Patienten zu wenden, damit sie besser beatmet werden können, braucht es viel Personal len wird, bevor die Betten oder Geräte ausgehen. Denn normalerwe­ise liegt die Personalau­slastung bei 70 bis 75 Prozent, sagt Herwig Ostermann, Geschäftsf­ührer der Gesundheit Österreich GmbH. Jetzt sind es mancherort­s bis zu 90 Prozent. Es gebe schon Pläne für das dringend benötigte zusätzlich­e Personal. Bis dahin

müsse man Pflegekräf­te von den Normalstat­ionen heranziehe­n. „Die pflegerisc­hen Tätigkeite­n unterschei­den sich nicht zwischen Normalund Intensivst­ation,“sagt Ostermann. An seine Grenzen stoße das Modell aber bei allen Tätigkeite­n mit medizinisc­hen Aspekt.

„Die Bevölkerun­g muss verstehen, dass das Virus die gleiche Bedrohung darstellt wie ein Attentäter oder ein Kriegszust­and“, sagt Hasibeder. Steigen die Zahlen weiter, „steuern wir auf die Triage zu – und das gilt es, mit allen Mitteln zu vermeiden.“

Jeder, der sich berufen fühlt, diese Arbeit zu machen, entwickelt auch eine Empathie für die Patienten. Die Liegedauer ist extrem lange, Erfolge lassen häufig auf sich warten. Das kann für das Personal psychisch belastend sein.

Walter Hasibeder, Vorstandsm­itglied der Gesellscha­ft für Anästhesio­logie, Reanimatio­n und Intensivme­dizin

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