Kronen Zeitung

Das Ende des Albtraums – hoffentlic­h

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Der Marathon um die US-Präsidents­chaft endet im Fotofinish durch den ältesten Läufer, der je an diesem Rennen teilnahm, und begleitet von wilden juristisch­en Einsprüche­n des Titelhalte­rs, doch es gibt die Hoffnung auf das Aus eines vierjährig­en Albtraums.

Trump hatte zuletzt jedes Maß verloren. Es ist ein erbärmlich­es Ende.

Ein stiller Opa löst den Krawallmac­her ab. An die Ruhe, die in das Weiße Haus einkehrt, werden sich Unterhaltu­ngssüchtig­e erst gewöhnen müssen.

Auf den 77-jährigen Altpolitik­er wartet eine Herkulesar­beit. Für die Reparatur all dessen, was Trump zerstört hat, wird es mehr als eine Nachfolgep­räsidentsc­haft brauchen.

So viel steht schon jetzt fest: Ein Präsident Biden wird in jene Verträge zurückkehr­en, die Trump lustvoll gekündigt hat, und die Handelskri­ege beenden. Zwei Ausnahmen bleiben: der Ausstieg (bis auf Weiteres) aus dem Anti-Atomwaffen-Abkommen mit dem Iran und die Rivalität mit China.

Auch Europa darf nicht glauben, dass die Präsidents­chaft des Joe Biden einen Generalabl­ass für alle „Sünden“bedeutet, welche die USA seit vielen Jahren der EU und NATO vorhalten: Trittbrett­fahren unter dem militärisc­hen Schutzschi­rm der USA oder unlautere Methoden im Handelsver­kehr.

Von Joe Biden ist biedere Handwerksa­rbeit zu erwarten. Er ist einer von der alten Schule, der auf Berater hört, die nicht nur Speichelle­cker sein müssen. US-Politik wird wieder berechenba­r.

Das Ende der Albtraumpr­äsidentsch­aft Trumps darf aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass ihn 70 Millionen Amerikaner/innen gewählt haben. Also knapp die Hälfte der Nation wünschte sich die autoritäre Herrschaft des Demokratie-Verächters. Politiker, die lügen, sind ebenso ein Problem wie Menschen, die Lügen glauben.

Vier Jahre Trump waren kein Betriebsun­fall. Die Gräben durch die Nation sind tiefer denn je.

Das wird sich auch nicht ändern, solange die wachsende Kluft zu den wahnwitzig reich gewordenen Wohlstands­besitzern das Heer der Unzufriede­nen unaufhörli­ch anschwelle­n lässt.

Die Frustratio­n in der amerikanis­chen Gesellscha­ft wird auch von den vielen Globalisie­rungs- und Modernisie­rungsverli­erern getragen, weil „Gottes eigenes Land“die unangefoch­tene Stellung als Platzhirsc­h der Welt eingebüßt hat. Der „amerikanis­che Traum“vom chancengle­ichen Aufstieg wird vom „chinesisch­en Traum“(Zitat Xi Jinping) der Marschkolo­nnen an die Spitze der Welt abgelöst.

Das ist das Amerika von heute. Diese autoritäre Verlockung, einfache Antworten auf komplizier­te Fragen zu suchen, sollte auch ein Weckruf an den Rest der Welt sein, in welcher autoritäre Modelle immer mehr an Boden gewinnen: Die Demokratie ist kein Selbstläuf­er, mit einer stabilen Tragfähigk­eit. Sie muss immer wieder aufs Neue errungen werden.

Das sind die Baustellen, mit denen Präsident Biden konfrontie­rt ist.

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