Kollateralschäden
Es war der 23. April dieses verflixten Jahres, alle Welt diskutierte über die VirusDrehscheibe Ischgl, da sprach Sebastian Kurz: Er werde sich nicht am „Blame Game“– also an den gegenseitigen Schuldzuweisungen – beteiligen.
Von diesem Credo blieb irgendwie wenig übrig, und zwar bei nahezu allen Beteiligten der verrohten Corona-Debatte. Kurz selbst heizte diese nun an, indem er sagte, das Virus sei „insbesondere durch Reiserückkehrer, die in ihren Herkunftsländern den Sommer verbracht haben, hereingeschleppt worden“. Abgesehen davon, dass eine besondere Schuld im Ausland verwurzelter Heimkehrer ob der zusammengebrochenen Virus-Rückverfolgung kaum belegbar ist, löste der heikle Satz heftige Reaktionen aus. Ein SPÖ-Abgeordneter schimpfte gar: „Nein, Herr Kurz, es sind Ihre Toten, die Verantwortung tragen Sie.“
Bei aller berechtigten Kritik: echt jetzt? Die Toten des Sebastian Kurz? Die Regierung mag einiges vermasselt haben; man kann ihr im „Blame Game“aber nicht alles allein umhängen. Nicht den von oppositionellen Verharmlosern verstärkten Schlendrian der Bevölkerung und nicht die Todeszahlen in Pflegeheimen, die auch Ländern und teils konzerngroßen Betreibern obliegen. Sachlich darüber diskutiert wird kaum noch, im Gegenteil: Jüngst blieben in einer ORF-Runde zwei Stühle leer, weil ÖVP und Grüne nicht mit der gereizten Opposition reden wollten.
Diese Gesundheitskrise hat uns also nicht nur einen wirtschaftlichen Kollateralschaden beschert, sondern mittlerweile auch einen gesellschaftspolitischen.